In den Armen des Eroberers
hier eintreffen. Ich überlasse sie jetzt dir, damit du sie kennenlernen kannst.«
Mit einem betont kurzen Nicken verließ er tatsächlich den Raum und schloß mit Nachdruck die Tür hinter sich. Verblüfft schaute Honoria die Herzogin-Witwe an und erkannte erfreut, daß sie nicht die einzige war, die verdutzt zur Tür blickte.
Dann wandte die Herzogin-Witwe sich Honoria zu und lächelte – herzlich, willkommen heißend, fast so, wie sie ihren Sohn angelächelt hatte. Die warme Begrüßung rührte Honoria ans Herz. Das Gesicht der Witwe wirkte verständnisvoll und ermutigend. »Kommt, meine Liebe. Nehmt Platz.« Die Herzogin-Witwe wies auf die chaise neben ihrem Sessel. »Wenn Ihr mit Sylvester zu tun hattet, benötigt Ihr jetzt sicher Ruhe. Er kann furchtbar anstrengend sein.«
Honoria widerstand dem Drang, dies sehr nachdrücklich zu bestätigen, und ließ sich auf das Polster sinken.
»Ihr müßt meinen Sohn entschuldigen. Er ist ein wenig …« Die Witwe hielt inne, suchte augenscheinlich nach einem treffenden Wort. »Detressé.«
»Er muß gewiß vielerlei Dinge im Kopf haben.«
Die Witwe zog die feingezeichneten Brauen hoch. »Im Kopf?« Dann lächelte sie, und ihre Augen blitzten, als sie Honoria wieder ansah. »Aber jetzt, meine Liebe, wollen wir, wie mein ach so detressé Sohn zu befehlen geruhte, uns ein wenig kennenlernen. Und da Ihr meine Schwiegertochter sein werdet, nenne ich Euch Honoria.« Wieder zog sie die Brauen hoch. »Das ist Euch doch recht?«
Aus ihrem Namen wurde »Onoria« – die Herzogin-Witwe konnte das H nicht aussprechen. Honoria erwiderte ihr Lächeln und ging der Hauptfrage aus dem Weg. »Ganz wie Ihr wünscht, Madam.«
Das Lächeln der Witwe strahlte wie Sonnenschein. »Meine Liebe, ich wünsche es von ganzem Herzen.«
5
Nach einer Stunde subtilen Verhörs entfloh Honoria der Her-zogin-Witwe, erleichtert darüber, daß sie dieser zwar ihre Lebensgeschichte, aber nichts über Tollys Tod berichtet hatte. Sie ließ sich in eine elegante Suite führen, wusch sich und kleidete sich um. Mit erfrischtem Selbstbewußtsein stieg sie dann wieder die Treppe hinunter – mitten hinein in ein Tohuwabohu.
Der Ermittlungsbeamte war eingetroffen; während Devil sich um ihn kümmerte, hatte Vane der Herzogin-Witwe die traurige Nachricht überbracht. Als Honoria den Salon betrat, befand sich die Witwe auf dem Höhepunkt eines Wutausbruchs. Schmerz schwang gewiß auch mit, ging jedoch unter in Zorn und Empörung.
Unverzüglich wandte sich die Herzogin-Witwe mit Fragen nach Einzelheiten an Honoria. »Ihr braucht Euch nicht dafür zu entschuldigen, daß Ihr es mir nicht gesagt habt. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie es war – mein ach so männlicher Sohn wollte die Angelegenheit vor mir geheimhalten, denn schließlich ist er ja ein Cynster.«
Sie wies Honoria einen Sessel zu, und diese nahm pflichtschuldigst Platz. Kaum hatte sie ihren Bericht beendet, als das Knirschen von Rädern auf Kies Devils Rückkehr ankündigte. »Wie lautet sein Befund?« fragte Vane.
Devil sah ihn fest an. »Tod durch Erschießen durch einen Unbekannten. Möglicherweise durch einen Straßenräuber.«
»Einen Straßenräuber?« Honoria starrte ihn an.
Devil hob die Schultern. »Oder durch einen Wilderer.« Er wandte sich der Herzogin-Witwe zu. »Ich habe nach Arthur und Louise geschickt.«
Wie sich herausstellte, waren Lord Arthur und seine Frau Louise Tollys Eltern.
Darauf folgte eine ausführliche Diskussion über die zu benachrichtigenden Personen, die zu treffenden Regelungen und die Unterbringung der zu erwartenden Gästeschar, die ein gut Teil des ton umfaßte. Während Devil die ersten beiden Punkte übernahm, fielen die Bereitstellung von Gastzimmern und die Bewirtung an die Herzogin-Witwe.
Trotz ihres festen Vorsatzes, sich nicht mit Devils Familie einzulassen, konnte Honoria einfach nicht tatenlos zusehen, wie der Herzogin-Witwe eine so große Last aufgebürdet wurde. Schon gar nicht, da sie selbst bestens geeignet war, ihr hilfreich zur Seite zu stehen. Als Anstruther-Wetherby, die, ganz gleich wie unfreiwillig, bei Tollys Sterben zugegen war, wurde von ihr erwartet, daß sie am Begräbnis teilnahm, also mußte sie zumindest bis nach der Trauerfeier im Familiensitz ausharren. In Anbetracht dieser Tatsache sah Honoria keinen Grund, nicht ihre Hilfe anzubieten. Außerdem wäre es ihr völlig unmöglich gewesen, untätig in ihrem Zimmer zu hokken, während der Haushalt um sie herum vor
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