In den Armen des Eroberers
Herzogin-Witwe und ihr entgangen sein mochte. Sie hätte schwören mögen, daß Devil zu diesem Zeitpunkt am anderen Ende des Saals in ein Gespräch vertieft gewesen war. »Euer Teufelsgaul hat den Kuchen gefressen. Mrs. Hull hat sich fürchterlich aufgeregt und so laut geschimpft, daß man es bis zu den Nachbarn hören konnte. Vermutlich spielt sie mit dem Gedanken, Euren Hengst zu Katzenfutter zu verarbeiten.«
Mit der Schulter an den Türpfosten gelehnt, stand er sehr nahe bei ihr, und sie spürte, wie seine Brust vor unterdrücktem Lachen bebte. »Das würde Hully niemals tun.«
»Aber sobald Euer Pferd erwähnt wird, greift sie nach dem Hackebeil.«
Devil schwieg und blickte auf die musizierenden Mädchen. »Spielt Ihr etwa kein Instrument?«
Honoria beherrschte sich im letzten Augenblick – und formulierte ihre Antwort um. »Ich spiele Cembalo, aber ich bin nicht Tollys Schwester. Übrigens«, fügte sie im gleichen milden Tonfall hinzu, »muß ich Euch warnen, daß ich Euch trotz aller Spekulationen, die Ihr mit Eurer Mutter ins Leben ruft, nicht heiraten werde.«
Seine Antwort trieb ihr eine Gänsehaut über den Rücken. »Wollen wir wetten?«
Honoria reckte das Kinn vor. »Mit einem Schurken wie Euch wette ich nicht.« Sie winkte verächtlich ab. »Ihr seid ein Spieler.«
»Der kaum jemals verliert.«
Seine tiefe Stimme hallte in ihr nach. Honoria enthielt sich einer weiteren Bemerkung und zuckte lediglich mit den Schultern.
Devil rührte sich nicht. Er forschte in ihrem Gesicht, sagte jedoch nichts mehr.
Zu Honorias Erleichterung verlief alles nach Plan. Die ofenfrischen Scones zum Tee fanden großen Anklang. Unter gedämpftem, aber ehrlich gemeintem Applaus zogen die Zwillinge sich zurück; ein Blick in ihre Gesichter verriet jedem, wieviel ihr Beitrag ihnen bedeutet hatte.
»Morgen sollen sie noch einmal spielen«, flüsterte Devil Honoria ins Ohr.
»Morgen?« Honoria wehrte sich gegen den kalten Schauer, der sie erfassen wollte.
»Bei der Trauerfeier.« Devil sah sie an. »Sie leiden weniger, wenn sie etwas Sinnvolles zu tun haben.«
Tief in Gedanken ließ er sie stehen – und kam mit einer Tasse Tee für sie zurück. Sie nahm sie dankbar entgegen und merkte erst jetzt, wie dringend sie eine Erfrischung nötig hatte. Abgesehen davon, daß er offenbar viel zu oft ihre Gedanken lesen konnte, benahm Devil sich ordentlich und stellte sie höflich verschiedenen Freunden der Familie vor. Honoria brauchte nicht übermäßig viel Phantasie, um herauszufinden, als was die Gesellschaft sie betrachtete – die Ehrerbietung war offenkundig.
Die Ereignisse des Nachmittags – unter der Regie Devils und der Herzogin-Witwe, gefördert durch Devils Teufelsgaul – machten eines ganz deutlich: Sie war Devils Braut.
Sie hatte von Anfang an gewußt, daß er ein unmöglicher Mensch war, selbst, als sie ihn noch für einen einfachen Landedelmann gehalten hatte. Als Herzog war er es um so mehr. Abgesehen von allem anderen – seinem Brustkorb zum Beispiel – war er ein Tyrann ersten Ranges. Frauen mit Verstand heiraten keine Tyrannen.
An diese überaus vernünftige Erkenntnis klammerte sie sich mit aller Macht und fand Kraft in ihrer unwiderlegbaren Logik. Als überaus hilfreich erwies es sich, sich diese Einschätzung Devils stets vor Augen zu halten – ein Blick in sein Gesicht und auf den Rest reichte, um sie in ihrem Entschluß zu bestärken.
Leider brachte diese Einschätzung seiner Person die Ursache eines tiefer verwurzelten Unbehagens an die Oberfläche. So sehr sie sich auch bemühte, konnte sie sich des Eindrucks doch nicht erwehren, daß er trotz all seiner Charakterstärke, seines ausgeprägten Familiensinns, sogar trotz Base Claras Überzeugung, daß er ein guter Junge sei, seinen toten Vetter verriet. Er kehrte dessen Tod sozusagen unter den Teppich, vermutlich, damit er ihn nicht bei der Verfolgung seiner hedonistischen Vergnügungen störte.
Tolly war ermordet worden. Sie war nicht sicher, wann ihr diese Erkenntnis gekommen war, aber sie war fest davon überzeugt.
Sie hatte Tollys Stimme im Waldhaus gehört, hatte die Erleichterung wahrgenommen, als er feststellte, daß er bei Devil war. Er hatte geglaubt, in Sicherheit zu sein – bei jemandem, der ihn schützen würde. Damals im Waldhaus hätte Honoria schwören mögen, daß der Junge Devil etwas bedeutete, sehr viel bedeutete. Doch die Tatsache, daß er Tollys Tod offenbar nicht als Mord betrachten wollte, ließ das Gegenteil
Weitere Kostenlose Bücher