In den Armen des Eroberers
kamen. Tod und Rache waren ihr Vorrecht, die anderen hatten sich um den heimischen Herd zu kümmern.
Was alles schön und gut war, aber …
Das letzte Gebet war gesprochen, Erde prasselte auf den Sarg. Tollys Mutter sank in den Armen ihrer Schwägerin zusammen, ihr Gatte eilte zu ihr. Amelia und Amanda zogen an Honorias Händen. Widerstrebend wandte sie sich vom Grab ab – und damit vom Anblick der Gestalten auf der anderen Seite.
Charles und die älteren Cynsters waren schon fort, doch Simon, Devil und die fünf anderen verweilten noch dort, die Blicke immer noch auf den Sarg geheftet. Bevor sie sich umwandte, sah Honoria, wie Simon mit großen, fragenden Augen zu Devil aufblickte. Und sie sah Devils Antwort, sah, wie seine Hand Simons Schulter fester umspannte und wie er mit leichtem Kopfnicken ein feierliches Versprechen leistete.
Über den Inhalt dieses Versprechens hatte sie nicht den geringsten Zweifel.
In Begleitung der Zwillinge überquerte Honoria den Rasen und dachte über ihre Lage nach. Gleich am nächsten Tag würde sie nach ihrem Bruder Michael schicken, doch bis zu seiner Ankunft würden einige Tage vergehen. Diese Tage würde sie zu nutzen wissen.
Es war ihr ein Anliegen, daß dem Toten Gerechtigkeit widerfuhr, sie hatte die Pflicht, sein unschuldiges Blut zu rächen – zweifellos ließ ihr deshalb Tollys Gesicht keine Ruhe. Unmöglich, daß Cynster-Männer auszogen, um die Unschuld zu rächen; ihr Rachezug würde getrieben sein von ihren kriegerischen Gründen – dem Schutz ihrer Familie, ihres Clans. Sie würde die Unschuld verteidigen – auch ihr war eine Rolle zugedacht.
Sie hatte Ablenkung gesucht – Abenteuer und Rätsel –, das Schicksal hatte sie hierher geschickt. Dagegen würde sie weiß Gott nicht aufbegehren.
Während Honoria mit Verwandten der Cynsters und deren Bekannten aus dem ton plauderte, behielt sie Devil und seine fünf Gefährten sorgfältig im Auge. Bald schon wurde ein gewisses Muster offenbar. Devil stand, mit dem Rücken zur offenen Terrassentür, im Salon, die anderen mischten sich unter die Gästeschar, und gelegentlich fand sich einer von ihnen an Devils Seite ein, um ihm im Vorübergehen unbemerkt eine Information zuzuflüstern oder ihn auf etwas aufmerksam zu machen.
Honoria konnte nichts tun, um an dieser stillen Kommunikation teilzuhaben, aber sonst … Sie konzentrierte sich auf Lady Sheffield, die sie gerade ins Verhör nahm.
»Natürlich«, bemerkte ihre Ladyschaft, »wird diese scheußliche Sache die Dinge ein wenig verzögern.«
Absichtlich ausweichend sagte Honoria nur: »Tatsächlich?«
Lady Sheffield musterte sie nachdenklich. »Drei Monate Trauerzeit – dann ist es Dezember.«
»Winter«, fügte Honoria hilfreich hinzu. Sie lächelte Lady Sheffield an und belohnte sie für ihre Mühen. »Wenn Ihr mich bitte entschuldigen wollt – ich muß mit Webster sprechen.«
Lächelnd schwebte sie zur Tür, ganz sicher, wie ihre Worte ausgelegt würden. In der Eingangshalle zwängte sie sich zwischen den Gästen hindurch. Auf der Anrichte standen Platten mit winzigen Sandwiches bereit; sie bediente sich und schritt durch das Musikzimmer und hinaus auf die Terrasse.
Direkt hinter Devil, mit dem Rücken zum Salon, bezog sie ihren Posten. Die Sandwiches auf ihrem Teller boten einen guten Vorwand.
»Lady Harrington«, stellte eine ältere Dame sich vor. »Ich kenne Euren Großvater gut, Miss. Hab ihn allerdings eine ganze Weile nicht gesehen. Ihm geht's doch hoffentlich gut?«
»Das hoffe ich auch«, erwiderte Honoria leise.
»Hurst weiß von nichts, Gilford auch nicht.« Da sie sich nicht umdrehen mochte, um nicht von einem von Devils Vettern erkannt zu werden, konnte Honoria nicht feststellen, wer der Sprecher war. Devils Stimme aber erkannte sie. »Vane überprüft Blackwell. Versuch du es mit Gelling.«
»Lecker, diese Sandwiches.« Lady Harrington bediente sich noch einmal. »Da ist Lady Smallworts – sie kennt Euren Großvater auch. Hier – Dulcie!«
Lady Harrington winkte einer weiteren älteren Dame zu; hinter Honorias Rücken wurde erneut Bericht erstattet. »Von Dashwood kommt nichts, und ja, ich habe schwere Geschütze aufgefahren. Er verschweigt wirklich nichts. Das wäre auch nicht seine Art.«
Nach kurzem Schweigen fragte Devil: »Ist hier sonst noch jemand aus dem Stadtteil?«
»Ich versuch's mal mit Giles Edgeworth.«
Ein älterer Herr näherte sich Devil und zwang ihm ein Gespräch auf. Honoria nahm die Gelegenheit wahr, sich
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