In den Armen des Eroberers
ihrer Abreise. Euer Gnaden.« Ihre Ladyschaft nickte Honoria zu. »Wir sehen uns in der Stadt, meine Liebe. Grüßt Euren Großvater.«
»Ja, gern«, versicherte Honoria atemlos. Die langen Finger an ihrer Taille machten ihr zu schaffen. Wenn Devil noch einmal ihr Handgelenk küßte, würde sie tatsächlich in Ohnmacht fallen.
»Winkt den Damen nach«, riet ihr Folterknecht.
»Womit?« zischte sie zurück. »Mit dem Teller?«
»Den braucht Ihr jetzt eigentlich nicht mehr – Thomas wird ihn Euch abnehmen.«
Ein Diener tauchte aus dem Nichts auf und befreite sie von ihrem Teller.
»Habt Ihr hier draußen auf der Terrasse viel Neues erfahren können?« Devils tiefe, leise Stimme kitzelte in ihrem Ohr.
»In erster Linie über gerüschten Musselin und die neueste Hutmode.«
»Und was hättet Ihr gern erfahren, Honoria Prudence?«
Die Art, wie er mit rollendem R ihren Namen aussprach, ließ sie erschaudern. »Ich wüßte gern, was Ihr plant.«
Er seufzte. »Was soll ich mit Euch machen, neugieriges Weib?« Er schüttelte sie zärtlich.
Zum Glück kam die Herzogin-Witwe und rettete sie. »Sylvester! Was um alles in der Welt tust du da? Laß Honoria auf der Stelle los!«
Er gehorchte, wenn auch widerstrebend, und seine Mutter ergriff Honorias Arm. »Kommt, meine Liebe, ich möchte Euch jemanden vorstellen.«
Ohne sich umzublicken, ergriff Honoria dankbar an der Seite der Herzogin-Witwe die Flucht.
In den folgenden Tagen machte sich Honoria, soweit möglich, einigermaßen unsichtbar. Viele Gäste waren zwar gleich nach den Begräbnisfeierlichkeiten wieder abgereist, ein Teil blieb jedoch noch länger. Honoria hatte nicht die Absicht, Devil in seiner derzeitigen Laune allein zu begegnen. Das Sommerhaus wurde zu ihrem Zufluchtsort.
Den Stickrahmen im Schoß, sah sie die Kutschen davonrollen – schaute zu, wie Devil Gastgeber spielte und den Abreisenden nachwinkte. Der Abend nahte bereits, als Charles Cynster quer über den Rasen auf das Sommerhaus zuschritt.
Mit ernst geneigtem Kopf trat er ein. »Guten Abend, meine Liebe. Ich wollte vor meiner Abreise noch mit Euch reden. Sylvester sagte mir, wo Ihr zu finden wäret.«
Ihr Zufluchtsort war also durchaus kein Geheimnis. Skeptisch musterte Honoria Tollys älteren Bruder. Er war eindeutig älter als Devil, damit also der älteste der Cynster-Vettern. Groß und kräftig gebaut, war er eine imposante Erscheinung, doch er hatte nicht die klaren Züge der Cynsters. Sein Gesicht war runder, mit massivem Kiefer. Seine Augen waren schlicht braun, und angesichts seines schweren Verlusts wunderte Honoria sich über seinen eindringlichen Blick.
»Ich wollte Euch dafür danken, daß Ihr Tolly beigestanden habt. Sylvester sprach von Eurer wertvollen Hilfe.« Charles' Lippen verzogen sich zu einem flüchtigen Lächeln. »Wie er sagte, habt Ihr entschieden mehr getan, als von einer Dame Eures Standes erwartet werden kann.«
Honoria neigte höflich den Kopf. »Im Gegenteil, ich habe nur das getan, was jede vernunftbegabte Frau getan hätte.«
»Wie auch immer …« Charles sprach nicht weiter. Honoria hob den Blick. »Meine liebe Miss Anstruther-Wetherby, würdet Ihr mir ein paar offene Worte zugestehen?«
»Jederzeit.« Honoria legte ihre Stickarbeit zur Seite, faltete die Hände und schenkte Charles ihre ungeteilte Aufmerksamkeit.
»Ich habe den Eindruck, daß Ihr, statt für Eure Hilfe belohnt zu werden, in eine etwas unangenehme Lage geraten seid.« Charles blickte sie an. »Vergebt mir – es ist ein heikles Thema. Aber soviel ich weiß, wart Ihr dadurch, daß Ihr Tolly Beistand geleistet und in das Unwetter geraten seid, gezwungen, die Nacht mit Sylvester zu verbringen, wodurch Ihr jetzt kompromittiert seid und seinen Heiratsantrag annehmen müßt.«
Honoria wollte etwas sagen, doch Charles gebot ihr mit einer Handbewegung Schweigen. »Nein, bitte nicht – erlaubt mir, zu Ende zu reden. Ich weiß wohl, daß viele Damen entzückt von der Aussicht wären, Herzogin von St. Ives zu werden, ganz gleich, unter welchen Umständen. Ich sehe aber wohl, daß Ihr nicht zu dieser albernen Sorte zählt. Ihr seid eine Anstruther-Wetherby, Tochter einer altangesehenen Familie – den Cynsters ebenbürtig. Ihr seid eine Frau mit gesundem Verstand, selbständig und tüchtig, wie Ihr bewiesen habt.
Meines Wissens habt Ihr Euch für ein ruhiges Leben entschieden, und es erscheint mir ungerecht, daß Ihr zum Lohn für Eure gute Tat gezwungen werden sollt, Sylvester zu heiraten und
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