In den Armen des Eroberers
nicht kommen. Aufgebracht sprach sie vor sich hin; als Devil näher kam, vernahm er die Worte »fair« und »sturer Bock«.
Honoria hob den Kopf – und fuhr heftig zusammen. Devil packte sie bei den Ellbogen und zog sie, fort vom Feuer, zu sich heran.
Atemlos, mit wild klopfendem Herzen stieß Honoria ihn von sich. Er ließ sie unverzüglich los, doch ihr innerliches Zittern ließ nicht nach. Aus vielerlei Gründen wütend, stemmte sie die Hände in die Hüften und funkelte Devil an. »Laß das gefälligst!« Sie strich heftig eine Haarlocke aus dem Gesicht. »Hast du denn nicht gelernt, daß es ungezogen ist, sich so anzuschleichen?«
»Ich habe mich nicht angeschlichen.« Devils Miene blieb ungerührt. »Du hast mich nicht gehört – du warst viel zu sehr damit beschäftigt, deine Gardinenpredigt zu proben.«
Honoria blinzelte; zu spät fiel ihr ein, daß Vorsicht geboten war. »Jetzt bin ich hier«, fuhr Devil fort. »Warum hältst du sie nicht?« Die Aufforderung klang alles andere als ermutigend. »Aber«, er zog die Brauen hoch, »vielleicht möchtest du lieber hören, was meine Vettern zu berichten hatten?«
In Honoria hatte sich so viel Ärger aufgestaut, daß sie glaubte, platzen zu müssen. Was Devil sagte, hörte sich sehr nach einem »Entweder-Oder« an. Wenn sie mit der Tirade über ihn herfiel, die sie in der letzten Stunde so sorgfältig vorbereitet hatte, erfuhr sie womöglich nichts Neues über die Suche nach Tollys Mörder. Ihr Kopf schmerzte. »Nun gut – berichte, was deine Vettern und du herausgefunden haben.«
Devil wies auf die chaise , wartete, bis Honoria Platz genommen hatte, und ließ sich dann in der anderen Ecke nieder. »Leider haben wir bisher trotz beträchtlicher Mühen überhaupt nichts gefunden. Nicht den geringsten Hinweis darauf, warum Tolly so eilig nach Somersham wollte.«
»Nichts?« Honoria forschte in seinem Gesicht, sein Blick wich ihrem nicht aus. »Wo habt ihr gesucht, und wonach?«
Devil erstattete Bericht; sie saugte seine Schilderungen der besonderen Stärken seiner Vettern und der Stoßrichtung ihrer Ermittlungen förmlich in sich auf. Sie war überzeugt, daß er nicht log, fragte sich allerdings, ob er ihr die ganze Wahrheit sagte. Sie nahm ihn ins Verhör, doch er verwickelte sich nicht in Widersprüche. »Und was jetzt?«
Aus einiger Entfernung ertönte der Gong, der sie zum Dinner rief. »Jetzt«, sagte er, erhob sich geschmeidig und streckte ihr die Hand entgegen, »suchen wir weiter.« Er erklärte, daß ein fremdes Geheimnis das Objekt ihrer Suche war. »Solange wir keine Spur haben, der wir folgen können, bleibt uns nichts anderes zu tun.«
Honoria war sich dessen nicht so sicher. Sie ließ sich von ihm auf die Füße helfen. »Vielleicht …«
Devil legte einen langen Finger unter ihr Kinn und hob ihr Gesicht zu sich auf. »Ich werde dich auf dem laufenden halten, Honoria Prudence.«
11
Seit der Ankunft der Familie in London war der Türklopfer von St. Ives House mit schwarzem Crêpe umwickelt; auf Befehl der Herzogin-Witwe wurde der Trauerflor an diesem Morgen entfernt. Die erste Woche in der Hauptstadt hatten sie sehr ruhig zugebracht, aber nun waren drei Wochen seit Tollys Tod vergangen, und die Zeit tiefster Trauer war auf Anordnung seiner Tanten vorbei. Sie trugen zwar noch alle Schwarz und würden noch drei weitere Wochen Trauerkleidung tragen, doch dann folgten sechs Wochen gemäßigter Trauer.
Anläßlich des Endes der »tiefen Trauer« gab Tollys jüngste Tante, Celia, eine kleine Gesellschaft, zu der freilich auch Honoria geladen war. Sie schaute sich unter den Gästen um, in der Hoffnung, etwas Nützliches von dem einen oder anderen zu erfahren. Leider war es das erste Mal für sie, daß sie sich in der Gesellschaft bewegte, und so viele Gäste waren versessen darauf, mit ihr ins Gespräch zu kommen.
»Honoria.« Honoria wandte sich um und sah Celia an ihrer Seite, einen Teller mit Kuchen in der Hand, den Blick auf eine chaise am anderen Ende des Raums gerichtet. »Ich bitte Euch nur ungern, aber ich weiß, daß Ihr es schafft.« Lächelnd reichte Celia ihr den Teller. »Lady Osbaldstone – sie ist ein richtiges Schlachtroß. Wenn ich hingehe, fesselt sie mich an die chaise und läßt mich nie wieder frei. Wenn aber kein Familienmitglied auftaucht, um ihre Neugier zu befriedigen, stürzt sie sich auf Louise. Wartet, ich nehme Euch die Tasse ab.«
Von der leeren Teetasse befreit, blieb Honoria mit dem Kuchenteller stehen. Sie
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