In den Armen des Feindes
Entführer zu verfolgen. Dass sie dann auch noch mitten im Nirgendwo Rosalinds Pomander auf dem Boden erspähten, erleichterte ihnen ihre Aufgabe. Jetzt waren sie sich sicher, auf dem richtigen Weg zu sein. Sie erkannten, dass der Entführer die gleiche Richtung nahm, die Robert the Bruce nach Verlassen der Burg hatte einschlagen wollen. Heute Nacht war Verrat im Gange, und Rosalind war ihm zum Opfer gefallen.
Mochten die Heiligen sie so lange schützen, bis er es selbst tun konnte!
Nachdem Rosalinds warnender Ruf erklungen war, hatten sie in rasender Eile die Anhöhe erklommen. Von der Kuppe des Hügels her ertönte Waffenlärm. Hatte sie sich selbst in Gefahr gebracht, als sie den schottischen König vor den Angreifern warnte? An nichts anderes konnte Malcolm mehr denken.
Er sprang vom Pferd und sah, dass eine Anzahl Schotten auf eine kleine Gruppe heruntergekommener englischer Ritter einschlug. Er erkannte Moira, die Küchenmagd, die sich im Sattel eines verängstigten Pferdes zusammenkauerte. Malcolm nahm indes kaum Notiz von dem Getümmel um ihn herum. Es gab nur einen Mann, den er nicht aus den Augen ließ. Der Mann, dessen Klinge dicht an Rosalinds weißem Hals im Mondlicht aufblitzte.
Gregory Evandale.
Malcolm unterdrückte das schmerzliche Mitleid für seine Geliebte und zwang sich dazu, allein auf seinen Gegner zu schauen und nicht in Rosalinds vor Entsetzen starre Augen zu blicken. Er dankte Gott für den Vollmond, der die ganze Lichtung in geisterhaftes Licht tauchte. Schwerter schlugen aufeinander, manche Männer schrien vor Wut, andere vor Entsetzen. Evandale hielt Rosalind mit festem, hartem Griff.
"Geh zurück, McNair. Du willst doch nicht, dass das Blut deiner Hure an deinen Händen klebt, ganz gleich, ob Engländerin oder nicht." Er schlang ein Seil um Rosalinds Handgelenke, dann um seinen Körper und fesselte auf diese Weise seine Gefangene an sich.
"Tut ihr nichts. Ich bin unbewaffnet." Sobald er das schmale rote Rinnsal sah, das über ihren schlanken weichen Hals rann, trat Malcolm zurück und legte sein Schwert auf die Erde. Noch nie hatte er sich so hilflos gefühlt.
Rosalind hatte ihr Leben riskiert, um seine Leute zu retten, und er konnte jetzt nichts anderes tun, als zuzusehen, wie ein Verrückter sie bedrohte. Sein Herz schlug rasend schnell, und Malcolm war, als müsste er würgen, so schnürte das Schuldgefühl ihm die Kehle zu.
Warum hatte er ihr nicht mehr Vertrauen entgegengebracht? Ihr alles, was er über Evandale herausgefunden hatte, auf der Stelle berichtet? Malcolm schuldete Rosalind so viel.
Ihre Augen klagten ihn nicht an. Nur Vergebung erblickte er in ihnen und eine Liebe, nach der er sich so sehr sehnte. Selbst in dieser gefährlichen Situation zitterten seine Hände vor Verlangen, Rosalind zu berühren.
Aber Gregory hielt Rosalind vor sich wie einen Schild und schützte sich feige mit ihrem Körper vor einem möglichen Angriff. Inzwischen waren die meisten seiner Männer entweder überwältigt oder getötet worden. Malcolm vermutete, dass man den König bereits an einen sicheren Ort gebracht hatte, wo er seine Truppe neu zusammenstellen würde. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Jamie einen bewusstlosen Mann mit den Handgelenken an einen nahen Baum fesselte.
"Dieser schäbige Kerl hier wird uns wohl kein großartiges Lösegeld einbringen, was, Bruder?"
Als er keine Antwort bekam, musste Jamie wohl aufgeblickt und das Aufeinandertreffen von Malcolm und Gregory bemerkt haben, denn seine Stimme nahm jetzt einen schärferen Klang an.
"Was verlangt Ihr?", unterbrach er das schweigende Gegenüberstehen der beiden Männer.
Gregory blickte von einem zum anderen, während Malcolm auf eine Gelegenheit wartete, sich ihm zu nähern.
"Ich will ein Pferd." Evandales schweißnasse Stirn glänzte im Mondlicht, und seine Stimme hatte einen verzweifelten Klang. "Ihr wollt sie doch nicht tot sehen, McNair? Schließlich seid Ihr daran gewöhnt, sie in Eurem Bett zu haben, nicht wahr?"
Malcolm ging auf ihn zu. Er zwang sich, so langsam und ruhig wie möglich zu gehen, um seinen Gegner nicht zu erschrecken. In zehn Jahren hatte er keinen einzigen Kampf verloren, und diesen würde er auch nicht verlieren, nicht, wenn Rosalinds Leben auf dem Spiel stand.
"Ihr könnt Euer Pferd haben." Er winkte Jamie zu. Sein Bruder würde ihm helfen, das wusste er. Und nun, da der Kampf um sie herum ein Ende gefunden hatte, waren auch die meisten von Roberts Männern bereit, ihm zu Hilfe zu eilen.
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