In den Armen des Feindes
lebhaftes Interesse an diesem geliebten Andenken an ihre Mutter, beobachtete Rosalind, wie er mit schwieligen Fingern das komplizierte Muster der keltischen Silberarbeit nachzeichnete.
Trotz der Wärme im Raum zitterte sie und kämpfte gegen das Verlangen an, seine Hand fortzuschlagen. "Glaubt Ihr, ich verrate Euch all unsere Geheimnisse? Vielleicht gibt es Wege in die Burg und aus der Burg hinaus, die Ihr noch nicht entdeckt habt?"
"Ich werde sie alle entdecken, da könnt Ihr sicher sein. Keine Burg, die mir gehört, wird mir wieder entrissen." Er ließ den Pomander aus den Fingern gleiten und stützte die Ellbogen auf seine gespreizten Schenkel. Dadurch kam sein Gesicht dem ihren beängstigend nahe.
Unwillkürlich nahm Rosalind die Wärme seines Körpers wahr.
"Ihr tätet gut daran, Euch das zu merken, Lady Rosalind."
"Ihr solltet wissen, dass ich die Burg nicht als Euren Besitz betrachte. Wenn sie Euch also entrissen werden sollte, erhalte ich nur das wieder, was mir rechtmäßig zusteht." Sie drückte den Rücken gegen die Lehne ihres Sessels, um so viel Abstand wie möglich zwischen ihnen beiden zu halten. Nicht, dass er ihr Angst eingejagt hätte, doch auf jeden Fall verunsicherte er sie. Langsam war sie sich sicher, dass er nicht gekommen war, um ihr Gewalt anzutun, sonst hätte er es schon längst getan.
"Ihr glaubt, Euer Bruder wird Euch Euer rechtmäßiges Eigentum zurückgewinnen, nicht wahr?" Ein kleines Lächeln spielte um seine Lippen.
"Während seiner Abwesenheit ist Beaumont mein Eigentum."
Sie krümmte sich innerlich wegen des groben Fehlers, den sie jetzt gemacht hatte, und auch wegen seines Gelächters. Ihre Schwäche verwünschend, nahm sie sich vor, in seiner Gegenwart vorsichtiger zu sein.
"Das scheint Eure ureigenste Überzeugung zu sein." Er sah sich viel sagend im Gemach der Burgherrin um. "Möchtet Ihr noch etwas Wein?" Fragend hob er eine schwarze Braue.
Rosalind schüttelte den Kopf. Ahnte er ihre Lügen? Sie beobachtete verstohlen, wie er sich noch einen Becher voll einschenkte. Dieser Mann war hier in ihrem Gemach mit all den Blumen und dem zierlichen Krimskrams völlig fehl am Platz. Sie vermutete, dass er selbst Gregorys imponierende Größe um einige Zoll überragte. Er besaß beachtlich breite Schultern, und wenn er auf und ab schritt, konnte sie das Spiel seiner Beinmuskeln beobachten. In einer Scheide an seinem Gürtel steckte ein kleines Messer.
Ein Krieger von Kopf bis Fuß. Ihr fiel auf, dass er nicht aussah wie einer jener feigen Barbaren, die Feuer legten und dann wieder in der Dunkelheit untertauchten. Während ihrer Unterhaltung hatte sie zum Beispiel gelernt, dass Malcolm das, was er sich nahm, auch behalten wollte. Genau das konnte ein anonymer Angreifer schließlich nicht tun. Sie brauchte ihn nur anzusehen und war sich sicher, dass sie einen Mann vor sich hatte, der zu kämpfen gewohnt war – etwas, das auf die feigen Fackelwerfer sicher nicht zutraf, denn sie hatten Beaumont nur in Brand gesetzt und waren dann wieder in der Nacht verschwunden.
So war Malcolm McNair vielleicht gar nicht für den Mord an ihren Eltern verantwortlich. Natürlich gehörte er immer noch zum Volk dieser Rohlinge, welche die Tat begangen hatten. Und dass er ihre Burg erobert hatte, war Grund genug, ihn zu verabscheuen. Allerdings hätte sie ihn nicht nur verachtet, sondern auch aus tiefster Seele gehasst, wenn sie nur den geringsten Verdacht gehegt hätte, der damalige Brand wäre auf seinen Befehl hin gelegt worden.
"Kommen wir auf diese friedliche Machtübernahme zurück." Er trank sein Glas aus und setzte sich wieder zu ihr. "Ich weiß, dass Ihr für Eure Leute sorgen müsst, sonst hättet Ihr nicht mit Eurer Armbrust dort oben auf den Zinnen gestanden."
Rosalind reckte das Kinn vor. Sollte sie sich jetzt etwa schuldig fühlen?
"Ich finde solche Treue wunderbar", fuhr er zu ihrer völligen Verblüffung fort. "Ich weiß, dass es nicht Euer Fehler war, dass Euer Bruder Euch zu einem sinnlosen Kampf angestiftet hat. Ich gebe ihm die Schuld daran, dass bei dieser Belagerung Menschen völlig sinnlos ihr Leben verloren haben."
Rosalind war froh darüber, dass Malcolm in diesem Moment zur Seite blickte. Er hätte sonst gesehen, dass sie beschämt errötete. Eigentlich sollte sie die Verluste unter den Kampfgefährten ihres Feindes nicht beklagen, schließlich hatte sie bereits ihre eigenen Verluste zu beweinen gehabt. Trotzdem plagten sie Gewissensbisse, dass Männer ihretwegen
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