In den Armen des Feindes
Schlachten hatten ihn gelehrt, körperlichen Schmerz zu ignorieren. Wenn er bloß das Verlangen nach ihr genauso leicht hätte verdrängen können.
"Du solltest nicht mit mir scherzen, Amme." Er nahm es mit seiner Verantwortung für Beaumont sehr ernst, schließlich wünschte Robert, dass der Besitz in gutem Zustand erhalten blieb. Malcolm hegte außerdem ein sehr persönliches Interesse daran, die Ländereien zu bewirtschaften. Vielleicht hatte er Glück, und Bruce ernannte ihn zum Herrn von Beaumont. "Ich weiß vielleicht nicht sehr viel darüber, wie man eine Ernte einbringt, doch ich weiß, dass die Arbeit von Männern getan wird und nicht von feinen Burgfräulein."
"Ich bitte um Verzeihung …", Gerta wurde sichtlich wütend, "aber seit dem Tod ihres Vaters überwacht Lady Rosalind die ganze Arbeit. Im ersten Jahr wurde sie noch vom Verwalter angeleitet, mittlerweile kommt sie allein zurecht."
"Du lügst", behauptete Ian, der jetzt mit Pfeifen den Vogel lockte, den Gerta versucht hatte zu verscheuchen. "Der Verwalter hätte ihren Bruder unter seine Obhut genommen, ganz gleich, wie alt er zu dieser Zeit gewesen wäre. Warum sollte der Verwalter sich mit einer Frau abgeben, die für dieses Wissen gar keine Verwendung hat? Du beleidigst uns mit deinen Märchen." Er griff sich ein paar Kirschen aus Gertas Korb und grinste. "Allerdings baust du ausgezeichnete Kirschen an."
"Ich lüge nicht, Ian McNair", giftete Gerta und brachte den Korb aus seiner Reichweite in Sicherheit. "Meinetwegen braucht Ihr mir nicht zu glauben, aber nennt mich nicht eine Lügnerin, bevor Ihr nicht der Wahrheit auf den Grund gegangen seid. Fragt Lady Rosalind nur, was sie über das Ernten weiß. Bis der Abend hereinbricht, wird sie Euch die Ohren voll reden!" So schnell es ihr ihre alten Beine erlaubten, eilte Gerta davon und schimpfte dabei laut über das schlechte Benehmen von eingebildeten Schotten.
Ian schaute ihr einen Augenblick hinterher, bevor er sich zu Jamie umwandte und ihm zuzwinkerte. "Ich glaube, Malcolm würde sich eher über die Gelegenheit freuen, der hübschen Rosalind bis zum Abend lauschen zu dürfen."
Malcolm warf ihnen einen finsteren Blick zu. Jeden Tag wuchs sein Ärger darüber, dass er eine Burg besetzt hielt, von der er nicht wusste, wie er sie erfolgreich zu bewirtschaften hatte. "Lady Rosalind ist eine kaltherzige englische Adlige, kein nettes Hochlandmädchen, mit dem man eine Nacht verbringen kann."
"Nicht nur die Engländerinnen sind kaltherzig, McNair. Deine Isabel ist jetzt seit vier Jahren verheiratet. Durch deine Verbitterung solltest du dich jedoch nicht abhalten lassen, dich an der Wärme anderer schöner Arme zu erfreuen."
"Seit ihrer unglücklichen Heirat habe ich keinen Gedanken mehr an sie verschwendet." Die Wendung, die ihre Unterhaltung genommen hatte, erinnerte Malcolm an einen der Gründe, warum er zeitweise den Krieg dem Frieden vorzog. Wie wild um sein Leben zu rennen, damit man keinen Pfeil in das Hinterteil bekam, gab einem zumindest die Gewissheit, sich nicht mit Frauen herumärgern zu müssen.
Ian versetzte Malcolm einen brüderlichen Schlag auf den Rücken. "Ich nehme an, du hast auch überhaupt nicht an sie gedacht, als du Kopf und Kragen riskiertest, um sie aus ihrem englischen Käfig zu befreien?"
"Ich habe geschworen, unser Volk vor der englischen Meute zu beschützen." Malcolm klopfte mit dem Fuß gegen die Felswand, um die an der Stiefelsohle klebende Erde zu entfernen, und weigerte sich, länger über den misslungenen Versuch, Isabel zu befreien, nachzudenken. "Außer Bewunderung für ihren Mut und Mitleid wegen ihrer Gefangennahme empfinde ich nichts mehr für Isabel. Und da ich sie kenne, habe ich keine Angst um sie. Ob ihr gemeiner Ehemann ihr nun hilft oder nicht, sie wird schon einen Weg finden, sich vom englischen König zu befreien."
Malcolm hatte alles getan, was als Krieger in seiner Macht stand, um ihr zu helfen. Doch es fiel ihm schwer, sich damit abzufinden, dass seine einstige Verlobte weiterhin in der Gewalt der Engländer war. Verdammt! Er fühlte sich schon genauso schlecht wie Ian, wenn auch aus einem weit weniger guten Grund.
"Glaubt ihr, an Gertas Worten ist etwas Wahres dran?", fragte er, bemüht, dem Gerede über Isabel ein Ende zu machen. Vielleicht würde ein Gespräch mit Rosalind ihn aufheitern. Sie mochte genauso rücksichtslos sein wie Isabel, allerdings beruhigte es ihn seltsamerweise sehr, dass wenigstens sie sich sicher in seiner Obhut
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