In den Armen des Feindes
nicht, dass Gregorys Blut an ihren Händen klebte. Sie war sich ihrer Gefühle ihm gegenüber vielleicht nicht im Klaren, doch sie wollte nicht, dass dem Helden ihrer Jugend ein Leid geschah. Mit jedem Monat, der verging, verblassten zwar ihre Erinnerungen an Gregory mehr und mehr, allerdings schien es ihr, als wäre Malcolm doppelt so stark wie er. Und er besaß viel mehr Erfahrung im Kampf.
"Mylady?" Josephine sah sie von der Tür her fragend an.
"Es geht mir gut." Das war eine glatte Lüge, doch Rosalind wusste, dass sie ihre Befürchtungen und Ängste allein durchstehen musste. "Du kannst den Bottich hereinbringen."
Das Mädchen trat eilig ein, begleitet von zwei Jungen, die ihre Last vor dem Kamin abstellten. Rosalind gab jedem von ihnen eine von den gezuckerten Feigen, die auf dem Tisch nahe der Wand standen. Sie wusste, dass die beiden aus dem Bett geholt worden waren, um ihren Befehl auszuführen. Nachdem alle wieder das Gemach verlassen hatten, kleidete sie sich aus und machte es sich im heißen Wasser bequem. Einen Augenblick später flog die Tür auf, und Gerta erschien. Ihre Wangen waren noch vom Laufen gerötet.
"Also, was ist im Garten geschehen? In der ganzen Burg wird darüber geflüstert, dass Ihr gemeinsam mit dem Laird die Halle verlassen habt." Die Amme stürzte zum Zuber und sah Rosalind mit großen Augen erwartungsvoll an. "Also?"
"Ich weiß nicht, wieso dieser Schotte der ganzen Halle andeutete, dass ich ihm meine Gunst schenke. Nichts könnte mir ferner liegen." Hoffte sie jedenfalls. Lieber Himmel, sie konnte doch nicht ihren Feind einem sanften Ritter vorziehen, den ihr eigener Vater gern gehabt hatte! Rosalind rubbelte heftig ihr Gesicht ab und versuchte vergebens, damit auch die Erinnerung an Malcolms Küsse abzuwaschen. "Er ist und bleibt ein Eindringling und ist noch genauso unwillkommen wie zuvor."
Sie hatte die Worte kaum hervorgestoßen, da wusste sie schon, dass sie eine Lüge waren. Doch wie sollte sie sich diesen Wirrwarr an Gefühlen erklären, den sie für Malcolm McNair empfand?
Schwer ließ sich Gerta auf den Schemel neben dem Bottich fallen. "Nun, Ihr könnt uns nicht übel nehmen, dass wir Hoffnung schöpften."
"Hoffnung worauf? Dass ich einem Mann die Treue verspreche, der mein Heim erobert hat? Wie könnte ich einem Schotten vertrauen, dessen Landsleute meine ganze Familie ermordet haben?" Sie war sich nicht sicher, wem sie eigentlich die Frage stellte – Gerta oder sich selbst.
"Verzeih mir, wenn ich offen zu Euch spreche, Mylady, aber Euer Vater hätte es Diplomatie genannt, wo doch all Eure Leute sich so sehr nach Frieden sehnen." Gerta griff nach einem kleinen Krug. Er war mit wohlriechendem Öl gefüllt, und sie goss etwas davon ins Wasser. Der Duft von Rosen breitete sich im Gemach aus. "Und eigentlich können sie den McNair gut leiden."
"Aber Beaumont ist englisch! Wenn wir uns an Malcolm binden, werden wir zu Verrätern. Wir würden uns dadurch mit dem Rebellenkönig Robert verbünden."
"Was für einen Unterschied gibt es schon im Grenzland zwischen Engländern und Schotten? Das Leben geht weiter, und für die Leibeigenen ändert sich nicht viel. Alles, worum es den Pächtern geht, ist eine gute Ernte und einen gerechten Herrn."
"Nur bin ich von Adel." War es nicht ihre Pflicht, das Geburtsrecht ihres Bruders zu schützen? "Wenn ich zum Verräter an meinem König werde, dann geht es gegen mein Erbe und meine Ehre."
"Euer Herz ist hier auf Beaumont, nicht an irgendeinem königlichen Hof. Ihr müsst tun, was das Beste für Euer Heim ist."
Gerta erhob sich von ihrem Schemel. Ihre alten Gelenke knackten leise. "Es sind die Männer, die Krieg führen, Mylady. So wie sie es immer getan haben. Und oft ist es die Aufgabe der Frauen, für so viel Frieden wie möglich zu sorgen."
Als Gerta den Raum verlassen hatte, ließ Rosalind sich tiefer in den Zuber gleiten. Sie vermisste schmerzlich ihre Familie – ihre Mutter. Im ersten Jahr nach dem Feuer hatte sie sich täglich die Kraft erkämpfen müssen, ihr Leben weiterzuleben. Doch sie hatte nicht erwartet, dass der wilde Schmerz so lange andauern würde. Wie vermisste sie den freundlichen Rat ihrer Mutter, ihre stille Art, Rosalind die Dinge auf ihre Weise sehen zu lassen. Was für einen Rat würde ihr wohl Shannon de Beaumont geben, wenn sie jetzt hier wäre?
Rosalind wischte sich das Gesicht mit einem nassen Tuch ab und redete sich dabei ein, dass die feuchten Spuren auf ihren Wangen vom Bad herrührten und
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