In den Armen des Feindes
nicht von Tränen. Zu lange hatte sie geweint und zu oft hatte sie sich in der letzten Zeit von einem eigensinnigen Schotten überrumpeln lassen.
Vielleicht sollte sie ihrem Herzen und diesem neuen, verwirrenden Gefühl für Malcolm McNair folgen. Während all der Zeit war Gregory ihr nicht zu Hilfe gekommen. Und wenn Malcolm ihren Leuten den Frieden bringen konnte, war das ein Grund mehr, sich mit ihm zusammenzutun.
Rosalind beschloss, sich seinen Vorschlag erneut zu überlegen und den Eroberer ab morgen mit anderen Augen zu sehen. Sie würde sich einfach ins Gedächtnis rufen, dass sie bei ihrer Wahl daran denken musste, was das Beste für Beaumont war, und nicht daran, was am schnellsten ihre neu erwachten Gefühle befriedigen würde.
8. Kapitel
Zwei Tage später gingen die Bewohner von Beaumont mit Sensen und Muskelkraft zum Angriff auf die goldfarbenen Weizenfelder über. Die hohen Halme fielen und wurden zu den Dreschplätzen getragen, wo man die Streu von den Körnern trennte.
Eigentlich hätte das Treiben auf den südlichen Feldern Rosalind mit Zufriedenheit erfüllen müssen, wären ihre Gedanken nicht bei Malcolm McNairs verwirrenden Küssen gewesen. Seit ihrer Auseinandersetzung im Garten hatte sie ihn nicht mehr gesehen, denn er war von den abschließenden Instandsetzungen des Südturms und anderen Befestigungsarbeiten vollkommen in Anspruch genommen. Während ihre übrigen Leute sich vom Abernten der Gerstefelder ausruhten und den Sonntag ehrten, waren Malcolm und seine Gefährten nur kurz in der Kapelle erschienen, um dann weiterhin Vorkehrungen für einen Kampf zu treffen, als könnte jeden Augenblick der englische König vor ihrem Tor auftauchen.
In ihrem neuen Bestreben, die guten Seiten einer Ehe mit Malcolm zu sehen, musste Rosalind sich eingestehen, dass sie seine rastlosen Bemühungen, Beaumonts Bewohner zu schützen, bewunderte. Jetzt hielt sie nach ihm Ausschau und war neugierig, wie stark seine Anziehungskraft wohl heute auf sie wirkte und ob er auch am helllichten Tag diesen Reiz auf sie ausübte. Während sie tief den Geruch nach Spätsommer und geschnittenem Korn einatmete, zuckte sie zusammen, als plötzlich eine männliche Stimme sie vom Feldrand her rief.
"Rosalind!"
Sie wirbelte herum, allerdings sah sie niemanden, nur den Waldrand. Also nahm sie an, dass sie sich verhört hatte, und wandte sich wieder den endlosen Reihen goldfarbenen Korns zu.
"Komm her, Rosalind. Beeil dich." Diesmal klang die Stimme näher und – der Himmel stehe ihr bei – auch vertrauter.
Gregory!
Das Herz stand ihr fast still, als sie erkannte, wer sie da rief. Vorsichtig blickte sie sich um, ob auch niemand etwas bemerkt hatte. Doch keiner der McNairs war heute auf den südlichen Feldern. Nur Balfour Dugan und Lachlan Gordon wachten über diesen Teil der Ländereien, und im Augenblick schien ihre ganze Aufmerksamkeit dem Weizen zu gelten. Erschrocken, aber gleichzeitig neugierig tauchte Rosalind in den schützenden Schatten der Bäume ein.
"Meine Süße!"
Noch bevor ihre Augen Gregory gefunden hatten, schlang er schon die Arme um sie und zog sie an sich.
Unwillkürlich wollte Rosalind ihn fortstoßen. Was war nur los mit ihr? Verwirrt und verärgert über sich erwiderte sie halbherzig seine Umarmung.
"Du bist hier nicht sicher. Du musst gehen." Rasch befreite sie sich von ihm und fragte sich, ob ihr Bewacher Balfour ihr Verschwinden bereits bemerkt hatte.
Sie konnte kaum glauben, dass Gregory Evandale endlich vor ihr stand. Mittlerweile war er wesentlich muskulöser, wenn auch immer noch von bescheidener Größe. Eine gut gearbeitete Brünne bedeckte die breiten Schultern. Sein Haar war jetzt dunkler, besaß nicht mehr den goldblonden Schimmer, an den sie sich erinnerte, doch es war sauber und geschnitten. Der kurze Bart, den er trug, war neu für sie.
Eigentlich sah er ganz gut aus, doch ihm fehlte das gewisse Etwas, das Rosalind den Kopf verdrehte, sobald Malcolm in ihrer Nähe war.
"Ich werde nicht wieder gehen, wo ich doch gerade erst gekommen bin. Haben sie dir ein Leid angetan?" Seine Hände ruhten immer noch auf ihrer Taille, während er sie mit gerunzelter Stirn betrachtete. "John Steward erzählte mir, dass sie dich ins Verlies geworfen haben. Haben sie … dir ein Leid angetan?"
"Mir geht es gut." Auch wenn sie merkte, dass ihr der Atem stockte. Sie sollte glücklich sein, ihn zu sehen. Sie war glücklich, ihn zu sehen. Sie sorgte sich nur um seine Sicherheit. Wenn Malcolm ihn
Weitere Kostenlose Bücher