In den Armen des Feindes
hatte. "Sie muss ein großartiger Mensch sein."
Malcolm runzelte nachdenklich die Stirn, als hätte er noch nie zuvor darüber nachgedacht. "Ja", gab er dann zu. "Meist ist sie so zärtlich, wie ein Winter in den Highlands lang ist. Aus der Burg meines Vaters machte sie ein richtiges Heim. Sie kümmert sich selbst um jede Mahlzeit, sorgt für alle Pächter, und durch sie hatten die heiligen Feste einen besonderen Zauber für uns." Malcolm schwieg und sah zu Rosalind hin. In seinem Lächeln lag alle Liebe zu seiner Stiefmutter. "Lorna ist ein guter Geist."
Und besaß zweifellos die Ausdauer eines Kriegers und die Kraft des Nordwinds, dachte Rosalind. Sie fand es aufschlussreich, dass Malcolm es vorzog, diese offensichtlichen Vorzüge der Frau, die ihn großgezogen hatte, lieber nicht zu sehen. Er schien zarte weibliche Wesen denen vorzuziehen, die eine Armbrust benutzen konnten.
Nicht, dass es ihr etwas ausmachte. Jedenfalls nicht viel.
"Ihr habt das Glück, dass sie immer noch für Euch da ist", erwiderte Rosalind nachdenklich. "Hätte nicht der Tod mir meine Mutter geraubt, hätte sie sicher lange genug gelebt, um meine Hochzeit zu erleben."
Malcolm musste die Bitternis in ihren Worten gespürt haben, denn er beugte sich vor und nahm ihre Hand. "Hör mir zu, Rosalind. Du darfst nicht fortfahren, alle Schotten zu schmähen, egal wie grausam die Verbrechen einiger von ihnen auch sind."
"Es ist nicht nur eine Frage des Mögens oder Nicht-Mögens." Sie ließ es zu, dass ihre Finger etwas länger ineinander verschlungen blieben, und genoss seinen festen Griff. "Allerdings fällt es mir schwer, mich Eurem Volk anzuschließen und so zur Verräterin an meiner eigenen Familie zu werden."
"Du hast keine Familie mehr, an der du zur Verräterin werden könntest. Außerdem würden deine Eltern und dein Bruder doch sicher nicht wollen, dass du dein Leben unnötig aufs Spiel setzt?"
Konnte sie ihre Ängste mit ihm teilen? Der Tod ihrer Eltern, der schon so lange ungerächt war, blieb eine schwere Bürde, die ihr Herz bedrückte. Vielleicht würde es ihr helfen, darüber zu reden und Malcolm nach seiner Meinung zu fragen. Er war ein erfahrener Krieger und ein ehrenhafter dazu. Vielleicht würde er sie verstehen.
Doch was wäre, wenn nicht? Oder noch schlimmer, was wäre, wenn er ihr, aus Treue zu seinem Volk, nicht helfen würde, ihre Familie zu rächen? Sie würde es nicht über sich bringen, ihn zur Hilfe zu zwingen, denn letzte Nacht hatte er ihr unwiderruflich zumindest einen Teil ihres Herzens geraubt. Das konnte sie nicht mehr länger leugnen. Deswegen konnte sie ihn nicht in eine unmögliche Lage bringen und dann enttäuscht sein, wenn er nicht die Entscheidung traf, die sie sich wünschte.
"Ich möchte Euch nicht mit meiner Vergangenheit belasten."
"Hast du denn eine andere Wahl?" Aus seinem Gesicht war alle Sanftheit verschwunden. "Du kannst wohl kaum zu Gregory zurückkehren wollen. Außerdem hast du keinen Bruder, der dich retten könnte. Und deinem König ist es egal, was im Grenzland geschieht." Er erhob sich, trat dicht an sie heran und wartete, dass sie sich der vollen Bedeutung seiner Worte bewusst wurde.
Es war nicht leicht, vernünftig über die Zukunft nachzudenken, wenn er so dicht bei ihr stand. Zart strich er ihr mit den Fingerspitzen über die Wange und ließ sie einen Moment lang an ihrem Mund verweilen, so wie er es die Nacht zuvor mit seinen Lippen getan hatte. Rosalind kämpfte gegen das übermächtige Verlangen, an diesen Fingerspitzen zu knabbern, sie in den Mund zu nehmen und zu schmecken. Sein Duft hüllte sie ein, warm und männlich, mit einem leichten Geruch nach Rauch und dem Harz der brennenden Scheite.
Rosalind blickte zu ihm auf. Ihr Herz schlug so wild, dass er es sicher merken musste, als er sie jetzt berührte. In diesem Augenblick wünschte sie sich mehr als alles andere, ihm in die Arme zu sinken, wieder die Hitze und die Leidenschaft zu spüren, die sie letzte Nacht miteinander geteilt hatten. Warm lag seine Hand auf ihrer Taille, und beinahe sank Rosalind an seine Brust. Allein durch Malcolms Nähe begannen auf ihrer Haut winzige Flammen der Lust zu brennen. Sie ließ die Hand über seine Schulter gleiten und hielt erst inne, als sie merkte, dass er sie gar nicht angefasst hatte, um sie an sich zu ziehen.
Nein, er hatte nur die Hand ausgestreckt, um nach dem Schlüssel zu greifen, der an ihrem Gürtel hing.
"Du kannst deine Geheimnisse auf immer und ewig für dich behalten,
Weitere Kostenlose Bücher