In den Armen des Freibeuters: Erst wies sie ihn ab - doch dann entflammte seine Leidenschaft ihr Herz (German Edition)
der selbst im Licht der bunten Laternen geisterhaft blass wirkte. Die Augen glühten dunkel in dem weißen Gesicht, und die kleine Blutspur, die Jacks Ohrfeigen hinterlassen hatten, zog sich vom Mundwinkel bis zum Kinn. Er erinnerte Jack an eine der steinernen Dämonenfratzen aus dem Liebestempel.
»Kann mir nicht denken, dass Jessie das besser gefällt«, brummte Smithy.
»Dumm und unbedacht. Als wärst du zwölf und nicht zweiunddreißig«, hörte Jack eine leise Stimme hinter sich. Martin hielt sich im Schatten, aber Jack glaubte sogar den typischen verärgerten Zug um den Mund des älteren Mannes zu sehen, den er von jeher gehabt hatte, wenn Jack eine Eselei begangen hatte. Und dumm war es tatsächlich, dachte er, sich mit Dau gherty zu schießen. Aber er hatte ihn geschlagen, und der Bursche würde gewiss auf dem Duell bestehen. Jetzt noch auszusteigen war unmöglich.
»Sie müssen mit ihm sprechen«, sagte Martin zu Smithy. »Bringen Sie Charles zur Vernunft. Und falls er doch einen Sekundanten schickt, dann reden Sie auch mit diesem.«
Smithy setzte sich in Bewegung, aber Jack hielt ihn auf. »Warte, lass mich selbst mit ihm sprechen.«
»Ist aber nich nach der Regel.« Smithy hatte vor, dem Burschen da drüben ein wenig Angst einzujagen.
»Schon gut.« Jack ging hinüber. Charles blickte ihm mit dunklen, wütenden Augen entgegen. Aus der Nähe sah Jack, dass er nicht nur blass, sondern grau war. Und er bemerkte auch die Entschlossenheit in seinen Augen, die zusammengepressten Lippen.
»Sie sind also immer noch wild entschlossen, mich zu erschießen? Selbst wenn ich mich für die Ohrfeigen entschuldige?« Jack musterte ihn ruhig. Er achtete darauf, dass seine Haltung völlig neutral war – weder devot noch aggressiv. »Immerhin sind wir uns gegenseitig nichts schuldig geblieben. Sie haben mich beleidigt, und ich habe Sie geschlagen. Damit ist die Sache erledigt.«
»Weil Sie ein Feigling sind«, spie Charles ihm entgegen.
»Lassen Sie den Unsinn. Sie wissen genau, dass dies nicht der Fall ist. Aber ich finde Ihre Art, sich gegenseitig zu töten, lächerlich. Sie glauben doch nicht wirklich, Jessica würde so etwas wollen?«
Sie wird es dir sogar verflixt übelnehmen, wenn mir etwas passiert, dachte Jack. Er hatte nicht vor, den Mann zu erschießen, vielleicht nicht einmal, ihn zu verletzen. Er war nicht mehr wütend auf Charles. Nur noch verärgert, dass ihn dieser in das Duell hineingezogen hatte. Hätte es vor einer Woche stattgefunden, als Jack noch wie ein gereizter Tiger auf dem Achterdeck auf und ab gerannt war, so wäre er erpicht darauf gewesen, den Rivalen zu erledigen. Aber seit dem Aufenthalt im Tempel hatte sich alles verändert. Jessica gehörte ihm. Sie war seinetwegen hierhergekommen, und er würde sie dann wieder mit heimnehmen. Es gab keinen Grund mehr, Charles zu hassen oder ihn töten zu wollen.
»Ich bestehe darauf. Es ist die einzige Möglichkeit, Jessica von Ihnen loszubekommen.«
»Sie sind ja verrückt«, entgegnete Jack ärgerlich. »Jessica und ich werden heiraten, das war schon abgemacht, bevor sie überhaupt hierhergekommen ist.« Er fuhr sich über das Gesicht. »Herrgott noch mal, Mann, kapieren Sie denn nicht? Jessica und ich kennen uns seit vielen Jahren!«
»Sie sind ein Verbrecher, ein Verräter und Spion. Und ein Feigling«, wiederholte Charles heiser.
»So hören Sie doch endlich mit diesem Unsinn auf.«
»Ich weiß es. Ich habe Beweise. Und Zeugen.«
Jetzt stutzte Jack. Natürlich. Harding. Er arbeitete eng mit Charles’ Vater zusammen. Und wenn Charles wirklich so versessen darauf war, Jessica zu bekommen, dann würden sie jeden Trumpf ausspielen. Harding war sicher nur zu gerne bereit, Jack endgültig aus dem Weg zu schaffen. Er musste zornig sein, weil ihm das noch nicht gelungen war. Wenn ihm etwas zustieß, dann war sie hier allein. Sir Percival würde Charles keine Steine in den Weg legen. Martin war mit El Capitano beschäftigt, und dann blieb nur noch die energische Alberta, die dafür sorgen konnte, dass Jessica sicher nach Hause kam.
Diese Leute hatten ihn und Jessica in der Hand. Jack machte sich diesbezüglich nichts vor. Nur Sir Percivals Einfluss hatte ihn noch vor wenigen Tagen aus dem Gefängnis und Hardings Klauen gerettet. Es würde ihnen ein Leichtes sein, ihn doch der Piraterie anzuklagen und ihn – wenn schon nicht zu hängen – dann entweder einzusperren oder bestenfalls des Landes zu verweisen. In Jack stieg Angst auf. Nicht um
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