In den Armen des Freibeuters: Erst wies sie ihn ab - doch dann entflammte seine Leidenschaft ihr Herz (German Edition)
lassen. Aber Alberta und Jessica waren zu neugierig auf dieses Leben hier und meist in Begleitung ihrer stämmigen und ebenso unternehmungslustigen Peggy sowie von Martin und zwei Dienern unterwegs. Manches Mal schlossen sich ihnen auch Charles oder einige Offiziere der Armee der East India Company an.
Auch heute waren wieder viele der Offiziere anwesend, die sich um Jessica und die anderen Damen scharten. Es gab zwar viele europäische Frauen hier – Jessica hatte innerlich gestöhnt, als sie die formellen Begrüßungsbesuche hinter sich hatte bringen müssen –, aber nicht allzu viele davon waren unverheiratet oder nicht bereits in festen Händen. Und obwohl jeder der Männer zweifellos privat seine sanftmütige, mandeläugige Geliebte vorzog, so wussten sie doch die Unterhaltung mit einer Frau, die ihnen gesellschaftlichen Status zu verschaffen wusste, zu schätzen. Vor allem eine, die bei dem einflussreichen Sir Percival residierte und – wie es hieß – aus einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie stammte. Jessica ahnte, dass auch Charles eine indische Geliebte hatte, aber der Gedanke bestürzte sie weder, noch bekümmerte er sie. Bei Jack wäre sie – wie sie ehrlich zugeben musste – in dieser Hinsicht von jeher weniger großzügig gewesen, und der Gedanke, was alles in den langen Monaten geschehen sein konnte, bedrückte sie. Auf dem Weg nach Kalkutta gab es viele Häfen und zweifellos unzählige Hafenschönheiten, die nur darauf lauerten, einen gutaussehenden Mann wie Jack zu verführen.
Jessica sah sich suchend um. Immer mehr Leute trafen ein. Nur Jack nicht. Charles hatte Jessica gleich zu Beginn begrüßt, ihr einen Kranz aus duftenden Blüten überreicht, der von einem der Diener auf ihr Zimmer gebracht worden war, und hatte sich dann zu anderen Männern begeben, mit denen er über Handelsgeschäfte sprach. Und Jessica sah sich von einer wachsenden Anzahl englischer Offiziere umringt, die ihr – völlig vergessend, dass ihre Väter noch gegen die Unabhängigkeit der ehemaligen Kolonien gekämpft und diese geschmäht hatten – den Hof machten und ihre Aufmerksamkeit zu erringen suchten. Einer, ein hochrangiger Offizier, hatte sich sogar neben sie gesetzt und versuchte nun, die anderen mit Artigkeiten und humorvollen Bemerkungen auszustechen. Er war Witwer und einer von Jessicas besonders hartnäckigen Verehrern.
»Sie gestatten?« Eine schlanke, aber kräftige Hand mit einer Narbe schob zwei der Herren zur Seite. Eine Hand, die Jessica aus dem Gedächtnis hätte zeichnen können, so gut kannte sie sie und ihren Besitzer. Eine Hand, die sich vor acht Monaten, bevor Jack verschwunden war, auch sehr intensiv mit ihrem Körper vertraut gemacht hatte. Sie sah hoch und traf auf Jacks Blick. Ihr freudiges Lächeln erstarrte jedoch unter seinem missbilligenden Gesichtsausdruck.
»Offenbar muss man sich hier mit dem Entermesser zu den Damen durchkämpfen.« Jacks halb abfällige, halb spöttische Stimme zusammen mit dem irisch-amerikanischen Akzent veranlassten die anderen, die Stirn zu runzeln. Er trug so wie die meisten anderen Gentlemen eine Jacke und Weste aus hellem Leinen, und Jessica fand, dass er alle anderen bei weitem ausstach. Aber sie würde sich im Moment eher auf die Zunge beißen, als das zuzugeben.
Jack wandte sich an den Offizier, der an Jessicas linker Seite saß. »Ich fürchte, Sie sitzen auf meinem Platz.«
»Wie? Was?«
»Und ich wäre Ihnen allen verbunden, wenn Sie Miss Jessica und mich jetzt allein lassen würden. Wir haben uns lange nicht gesehen und einiges zu besprechen.«
Eine Welle des Ärgers wogte durch die anderen Männer. Einer davon hatte in Jack den »Burschen« erkannt, der schon im Gefängnis gelandet war, und er teilte diese Erkenntnis jetzt mit halblauter Stimme mit seinem Nachbarn.
Jessica hörte bedrohliche Sätze wie »Unglaublich! … Grund, Satisfaktion zu verlangen …« und schritt schleunigst ein. Sie setzte ihr liebenswürdigstes Lächeln auf. »Sie müssen Captain O’Connor verzeihen, meine Herren. Er ist ein sehr alter Freund – so etwas wie ein Bruder für mich –, und wir haben uns schon lange nicht gesehen. Gewiss hat er viele Nachrichten von daheim mitgebracht.«
Die anderen machten mit wachsendem Groll Platz, und Jack baute sich vor Jessica auf.
»Das war ziemlich unhöflich«, stellte sie fest.
»Das ist mir gleichgültig. Ich muss mit dir sprechen.« Jacks Laune hatte sich seit dem Nachmittag nicht gebessert. Im Gegenteil, je
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