In den Armen des Freibeuters: Erst wies sie ihn ab - doch dann entflammte seine Leidenschaft ihr Herz (German Edition)
Auge hatten sie erschreckt. Sie hatte sofort nachsehen wollen, ob er noch anderweitig verletzt war, aber der Blick, mit dem er sie gemustert hatte, war so streng, sein Gesicht so abweisend gewesen, dass sie förmlich zurückgeprallt war. Bei der Erinnerung daran waren ihr später in ihrem Zimmer die Tränen gekommen, bis sie sich selbst energisch zur Vernunft gerufen hatte.
Jack war nicht erfreut gewesen, sie zu sehen, so viel war klar. Vielleicht dachte er sogar, sie wäre ihm nachgelaufen. Was ja auch stimmte. Hatte er bereut, was zwischen ihnen geschehen war? Jessica hätte damals in jener Nacht geschworen, dass Jack sie ebenso liebte wie sie ihn. Aber bei Männern wusste man wohl nie. Die waren in dieser Hinsicht – was Liebe und Treue betraf – so schlecht einzuschätzen. Und sie hatte nicht vergessen, was Vanessa über sein Abenteurerblut gesagt hatte. Hatte er Angst gehabt, sie würde ihn zu fest halten und mit ihrer Liebe ersticken wollen?
Sie durfte jedenfalls nicht länger die Augen vor der Tatsache verschließen, dass Jack auch deshalb fortgereist war, weil er sich nicht binden wollte und fürchtete, sie könne nach dem, was zwischen ihnen geschehen war, Ansprüche an ihn stellen. Sie hatte sich ihm in Boston ja wirklich regelrecht aufgedrängt, sich ihm an den Hals geworfen. Nur ein völlig herzloser Mann hätte sie dann noch fortgeschickt. Er hatte es ja sogar tun wollen, aber sie war geblieben. Jessica biss die Zähne zusammen. Damals hatte sie weder an ihm noch an sich selbst gezweifelt, aber die Monate der Trennung waren lang genug gewesen, um sie – und sicherlich auch ihn – vieles anders sehen zu lassen.
Sie hatte eine strategisch günstige Position in Lady Elisabeths Salon eingenommen. Hier versammelten sich die Gäste, bevor zum Diner gebeten wurde, und hier konnte sie am besten die Ankommenden sehen, die von Sir Percival begrüßt wurden. Wobei Salon eine wahre Untertreibung war, die auch nur einer an den Reichtum dieses indischen Lebensstils gewöhnten Lady Elisabeth einfallen konnte.
Auch die reichen Bostoner Bürger hatten große Häuser, mit Wohnraum, Salon, einige – wie die Farnsworths und Mariettas Vater – sogar kleinere Ballsäle. Aber das Haus ihrer eigenen Eltern hätte knapp in die Empfangshalle von Vanessas Vetter gepasst.
Nicht nur die Dimensionen waren beeindruckend, auch der Luxus, der in den Räumen herrschte. Jessicas geräumiges Zimmer, das sie mit niemandem teilen musste, war mit einem weichen Teppich mit wunderbaren Mustern ausgelegt, über den sie gerne barfuß lief. Manches Mal saß sie auch wie ihre indische Dienerin, die Lady Elisabeth ihr und Alberta zugeteilt hatte, auf dem Boden. Sie hatte sogar begonnen, in ihrem Schlafzimmer einen Sari zu tragen – dieses mehrere Meter lange Tuch, das man sich über einem enganliegenden Oberteil und leichten Hosen um den Körper schlang. Es war viel luftiger und bequemer als die engen Kleider.
An diesem Abend jedoch war sie entsprechend der Mode der in Kalkutta lebenden englischen Damen gekleidet. Lady Elisabeth hatte ihr ein ganz besonderes Geschenk gemacht, ein aus gefärbtem und handbemaltem Chintz genähtes Kleid. Um den Ausschnitt waren kostbare, aus Europa importierte Spitzen appliziert, und auch die über dem Ellbogen gerafften Ärmel hatten lange Spitzenvolants, die bis zur Hälfte des Unterarms reichten. Der vorne hervorblitzende Unterrock war aus demselben Stoff und besaß übereinander mehrere reiche Volants. Jessica konnte sich selbst jetzt, als sie hier saß und auf Jack wartete, während sie dem mit Komplimenten durchsetzten Geschwätz einiger Herren lauschte, kaum an den wunderbar gemalten Blüten sattsehen. Sie strich immer wieder über den Stoff, fuhr mit dem Finger einzelne Teile nach. Sie stellten eine Hibiskusart dar, mit Ranken, Blüten, Stengeln. Es war – obwohl weit ausgeschnitten – züchtig durch die reichen Spitzen. Und es war alles andere als durchsichtig. Dadurch war es auch ein wenig zu heiß. Jessica schwitzte darin, aber die Schönheit des Stoffes wog das auf. Tagsüber, wenn sie ausging, trug sie ohnehin wie die anderen englischen Damen die hellen, leichten Kleider. Dazu ausladende Hüte, die vor der Sonne schützten, und oftmals sogar einen kleinen Sonnenschirm. Viele der Damen blieben lieber daheim – so wie Lady Elisabeth, die es vorzog, im Pavillon im kühlen Garten ihres Palastes oder unter den Arkaden zu sitzen oder sich in einer Sänfte, dem Palankin, herumtragen zu
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