In den Armen des Spions
fassten sie am Ellbogen.
»Sie werden keine Zelte brauchen - Sie teilen unseres, Mylady.«
Emily wandte sich um und sah in ein paar strahlende dunkle Augen in einem tief gebräunten und faltendurchzogenen Gesicht. Die alte Frau lächelte sie an und zeigte dabei ein erstaunlich weißes Gebiss mit einer Lücke in der Mitte. Sie tippte mit dem Finger auf Emilys Burka in Höhe ihres Gesichts.
»Im Lager brauchen Sie die Verhüllung nicht. Wir sind unter uns hier, praktisch Familie, und während der Reise sind Sie eine von uns. Sie können das hier ablegen.« Die alte Frau nickte Dorcas und Arnia zu. »Und Sie auch.«
Emily hatte sich derart an die Burka gewöhnt, dass sie beinahe vergessen hatte, dass sie sie trug. Aber sobald sie sich einmal daran erinnert hatte, spürte sie sogleich wieder die Einschränkungen und das Gewicht des Kleidungsstückes. Bereitwillig raffte sie den Stoff und zog sich die Burka über den Kopf.
Die alte Frau betrachtete Emilys Kleid, das nun zu sehen war. Sie streckte eine Hand aus und betastete den Stoff.
»So ein feiner Stoff.« Sie schüttelte den Kopf. »Der wird die Reise nicht überstehen.« Sie blickte zu Dorcas und Arnia und schnalzte missbilligend mit der Zunge. »Kommen Sie.« Sie winkte den Frauen und ging zu den Wagen voraus, die hinter den Zelten aufgereiht standen. »Ich bin Ali-Jehans Mutter. Nennen Sie mich Anya. Sie werden zu mir und den älteren Frauen ins Zelt kommen; dann werden wir passendere Kleider für Sie finden.«
»Danke.« Emily senkte respektvoll den Kopf.
Anya warf ihr einen scharfen abschätzenden Blick zu.
»Und danach werden Sie es uns vergelten, indem Sie uns verraten, was vor sich geht, ja?«
Emily verkniff sich ein Lächeln und nickte.
»Wenn Sie wollen, gerne.« Ältere Frauen waren überall auf der Welt gleich, schien es.
»Gut.« Anya winkte zu den Wagen. »Zuerst müssen wir Ihre Sachen hineinbringen.«
Sie alle halfen mit, zusammengerollte Teppiche, Wolldecken, Seidenvorhänge und Baumwolllaken, Kissen und Polster, Teller und Becher aus gehämmertem Metall und all die anderen Gegenstände, die für die Bequemlichkeit der Nomaden notwendig waren, in das dunkle Zelt zu tragen. Vier weitere ältere Frauen halfen ihnen, die Anya als Marila, Katun, Bersheba und Girla vorstellte. Während sie sich im Zelt einrichteten, war die Neugier bei allen deutlich zu spüren.
Als sie schließlich mit überkreuzten Beinen auf den edlen Teppichen um die kleine Feuerschale in der Zeltmitte Platz nahmen und gemeinsam Hagebuttentee tranken, sagte Anya zu ihnen:
»Die jüngeren Frauen werden an dem großen Feuer kochen.« Sie deutete durch den offenen Zelteingang zu der Feuerstelle in der Mitte des Lagers. »Wenn Sie möchten, dürfen Sie gerne dabei helfen - sie sind immer dankbar für zusätzliche Hände.«
Dorcas und Arnia nickten beide.
»Die Regeln in unserem Lager«, fuhr Anya fort, »besagen, dass alle unverheirateten Frauen in den Zelten ihrer Familie schlafen müssen. Da Sie hier keine Familien haben, müssen Sie in diesem Zelt schlafen und auch in der Nähe bleiben. Es ist unverheirateten Frauen nicht gestattet, sich frei und ohne Begleitung zwischen den Männern zu bewegen.«
Emily sah zu Arnia.
»Arnia ist verheiratet.«
Anya nickte.
»Das habe ich bereits mitbekommen. Aber ihr Ehemann hat kein eigenes Zelt und schläft bei meinem Sohn und dessen Wachen. Daher ist es am besten, wenn Sie« - sie schaute Arnia an - »bei uns bleiben. Aber Sie dürfen ungehindert zu Ihrem Mann gehen und mit ihm sprechen.«
Arnia neigte zustimmend den Kopf.
Emily setzte sich anders hin und stellte ihr leeres Teeglas ab.
»Ich werde oft mit Major Hamilton reden müssen, während wir uns im Lager aufhalten.«
Anya kniff die Augen zusammen, sie wirkte streng.
»Das ist nur zulässig, wenn er Sie anspricht und nur in der Mitte des Lagers, wo alle Sie sehen können.«
»Aber ...«
»Das ist nicht verhandelbar.« Anyas dunkle Augen erwiderten Emilys Blick fest. »Sie sind unsere Gäste und werden daher selbstverständlich unsere Sitten respektieren und sich entsprechend verhalten.«
So ausgedrückt blieb Emily nichts anderes übrig, als zu nicken.
»Wie Sie wünschen.«
Sie hegte keinen Zweifel daran, dass Watson, Mullins und Jimmy, ja sogar Bister und Mooktu, zu ihr kommen würden, wenn es etwas zu besprechen gab. Aber Gareth? Sie war sich ziemlich sicher, dass er die Regeln der Berber als Vorwand nehmen würde, es zu vermeiden, irgendetwas mit ihr zu
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