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In den eisigen Tod

In den eisigen Tod

Titel: In den eisigen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana H. Preston
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zufolge Shackleton gegen seine Abmachung verstoßen hatte. Da er keinen Weg durch das Packeis zum King Edward VII. Land gefunden hatte, war er umgekehrt und im McMurdo Sound gelandet, und er hatte seinen Stützpunkt in der Nähe von Scotts Hütte eingerichtet. Shackleton behauptete, dies sei seine einzige Option gewesen und habe ihm viele Gewissensbisse verursacht. In Scotts Augen aber war es der Bruch ihres Abkommens und eine unehrenhafte Handlung – eine Ansicht, die Edward Wilson teilte –, und Sir Clements Markham war natürlich wütend.
    Unterdessen zauderte Kathleen weiter. Scott versuchte nach wie vor, sie zu beruhigen und ins Gleichgewicht zu bringen, was sie vielleicht mit ihren konfusen Briefen auch bezweckte, aber er fühlte sich selbst schrecklich unsicher. Ihre Beziehung war an einem kritischen Punkt angelangt. Kathleen wurde von einem früheren Bekannten, dem jungen Schriftsteller und Rechtsanwalt Gilbert Cannan, umworben, den Henry James 1910 als einen der hoffnungsvollsten jungen Autoren Englands neben D.H. Lawrence und Hugh Walpole bezeichnete. Er hatte ein anziehendes schiefes Lächeln und helle maisfarbene Haare. Er sollte übrigens die letzten 30 Jahre seines Lebens, unter Wahnvorstellungen leidend, in einer Irrenanstalt verbringen; unter anderem hielt er sich für Kapitän Scott, den großen Forschungsreisenden.
    Doch Kathleen, die im Begriff stand, den entscheidenden Schritt in eine unbekannte Welt zu tun, fühlte sich angezogen von dieser Reminiszenz an ihr altes Bohèmeleben, und sie ließ es sich gefallen, dass er ihr den Hof machte. Im April gestattete sie ihm auch, mit Scott zusammenzutreffen, der, von einem Aufenthalt auf See nach Hause zurückgekehrt, verstört und verärgert war, als er feststellen musste, dass sich dieser Mann auf die Bühne gedrängt hatte. Cannan scheint eine ménage à trois in Betracht gezogen zu haben, was einen Mann wie Scott wohl kaum gereizt haben dürfte. Er war verwirrt und gekränkt, wollte aber Kathleen immer noch unbedingt heiraten.
    Als Kathleen beschloss, mit dem Mann ihrer Cousine einen Wanderurlaub in Italien zu machen, reagierte Scott stoisch auf diese Mitteilung, indem er nur sagte: »Schreib mir oft und bleib nicht zu lang.« Sie war erfreut und nannte ihn »einen großartigen Mann; kein Selbstmitleid, keine Verdächtigungen, kein Missmut, keine Beschuldigungen. Perfekter Mann!« 10 Sie schrieb ihm – über die Freiheit und Verantwortungslosigkeit des »Herumvagabundierens« und darüber, wie sehr es ihr am Herzen lag. Damit stieß sie bei Scott auf Verständnis, und er antwortete mit einem seiner aufschlussreichsten Kommentare:
    »Reiß mir ein paar konventionelle Fesseln ab, und Du wirst einen ebenso großen Vagabunden finden wie Dich, aber das würde vielleicht nicht genügen. Ich werde niemals in mein vorgegebenes Schema passen. Das Rädchen einer Maschine muss passen – doch manchmal hasse ich es ... Ich liebe die frische Luft, die Bäume, die Felder und die Meere, die offenen Räume des Lebens und des Denkens. Du bist für mich der Inbegriff all dessen ... Ich möchte, dass Du bei mir bist, wenn die Sonne, unverhüllt vom Nebel, scheint.« 11
    Scott wusste, dass er viel zu »zugeknöpft« war, und dies war ein Appell an Kathleen, ihm zu helfen, die Fesseln abzustreifen.
    In Venedig traf Kathleen Isadora wieder, und ihre Beschreibung der Begegnung gab Anlass zu einer weiteren gequälten Antwort. Könnte er sie je zufriedenstellen? Er glaubte schon, aber es würde ihr großes Vertrauen abfordern: »Begreifst Du, dass Du mich ändern ... mir etwas von dem fröhlichen, reinen Geist in Dir einflößen musst? In ein oder zwei Jahren wäre es zu spät gewesen. Ich wäre zu unbeweglich geworden, um das Prinzip des Wandels zuzulassen .. . , ach, die bedrückenden Auswirkungen einer mechanischen Existenz – am Ende bin ich halb bange: Werde ich Dich zufriedenstellen?« 12 Kathleen sah, wie absurd es war, dass Scott sich derart erniedrigte. Vielleicht bereiteten ihr auch die Zeichen der Schwäche und Verletzlichkeit Sorgen. Ihr Mann musste ein Kämpfer, ein Drachentöter sein – sie hatte die Nase voll von gepeinigten, empfindsamen Männern, und sie erwiderte ihm in einem angemessen neckenden Ton: »Hier stehe ich kleines, blamiertes Mädchen, das niemals in seinem Leben etwas getan hat, was es einem wirklichen Mann erlauben würde, zu ihr von Überlegenheit zu reden. Mein Humor kann so etwas nicht ertragen.« Sie spornte auch seinen Ehrgeiz an:

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