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In den eisigen Tod

In den eisigen Tod

Titel: In den eisigen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana H. Preston
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erklären. Ging es um Wissenschaft, oder ging es darum, als erster den Pol zu erreichen? Was Scott selbst anbelangte, so war es für ihn sicherlich mehr als nur eine Jagd zum Pol. Er war viel zu wissbegierig, um von dem Potential an Erkenntnismöglichkeiten unberührt zu bleiben. Doch gleichzeitig war er nicht unempfindlich gegenüber dem Ruhm und dem Prestige, die dem Mann zufallen würden, der den Pol für Großbritannien erobern würde. Beide Ziele lockten ihn. In einer an die Royal Geographical Society gerichteten Ansprache vom Frühjahr 1910 bestätigte er, dass die Idee, einen Punkt auf dem Globus zu erreichen, den noch nie der Fuß eines Menschen betreten hatte, sicherlich eine Frage des nationalen Stolzes sei »und ein nach außen wirkendes Zeichen dafür, dass wir immer noch eine Nation sind, die fähig und gewillt ist, schwierige Projekte in Angriff zu nehmen«; das wahre Ziel sei aber, »die unter den gegebenen Bedingungen bestmögliche wissenschaftliche Ausbeute nach Hause zu bringen«. Allerdings wusste er, dass der Gedanke, den Union Jack am Pol zu hissen, die Phantasie der Öffentlichkeit beflügeln und die Mittel anlocken würde, und deshalb bestand für die Öffentlichkeit das Ziel der Expedition darin, den Südpol zu erreichen.
    Scott schrieb alle an, die ihm einfielen, und bat sie um Geld – von reichen Philanthropen bis zu Schulen und Firmen. Er schloss Freundschaft mit einigen mächtigen Leuten. Der Finanzier Sir Edgar Speyer, den Kathleen umgarnt hatte, spendete 1000 Pfund und erklärte sich bereit, als Kassenwart der Expedition zu fungieren. Sir Arthur Conan Doyle hielt im Mansion House eine zündende Rede darüber, dass noch ein Pol übrig sei, dass dieser Pol ein britischer Pol sein sollte und dass Kapitän Scott der richtige Mann sei, ihn zu erobern.
    Scott musste sich wieder in hohem Maße auf Sponsoren aus der Wirtschaft verlassen. Er war auch erfreut über die großzügige Reaktion von Schulen im ganzen Land, die er aufgefordert hatte, Geld zu sammeln, damit er Hunde, Ponys, Schlitten, Schlafsäcke und Zelte kaufen konnte. Mehr als 100 öffentliche Schulen, Privat- und Realschulen beteiligten sich. Scott schrieb jeder Schule persönlich und dankte den Mädchen und Jungen.
    Während dieser ganzen Zeit rasender Schwerstarbeit – Nansen hatte recht gehabt mit seiner Warnung, der schwierigste Teil einer Expedition bestehe aus ihrer Vorbereitung – war Scott sorgsam darauf bedacht gewesen, das richtige öffentliche Image zu pflegen. Es durfte kein Anzeichen seiner inneren Besorgtheit und seiner depressiven Phasen nach außen dringen, von der »schwarzen Gewitterwolke«, wie Kathleen seine düstereren Stimmungen nannte. Es gibt eine aufschlussreiche Reportage in der Daily Mail vom Januar 1910, der Scott das Bild eines entschlossenen Manns der Tat dargeboten zu haben scheint:
    »Kapitän Scott hat eine persönliche Kraft, die alle Menschen deutlich sehen können. Gedrungen, mit tiefem Brustkasten und einer wachsamen Freundlichkeit in seinem glatt rasierten Marineoffiziersgesicht entspricht er ganz dem ›Bulldoggentyp‹ mit blauen Augen, die aus einem von Abenteuern gegerbten Gesicht funkeln. ›Angenommen, Sie haben nicht gleich Erfolg?‹, wurde er gefragt ... Kapitän Scott nahm seine Zigarette von den Lippen und legte mit bedächtigem Nachdruck den Finger auf den Tisch. ›Dann werden wir eben da unten frischfröhlich ausharren, bis die Sache erledigt ist.‹«
    Dieses ostentative Selbstvertrauen passte nicht zu seinen inneren Zweifeln. Später schrieb er von Antarktika aus an Kathleen über seine Sorgen während der frühen Phasen:
    »Nun, da ich diese Dinge sagen kann und mich so fühle wie jetzt, nämlich als kompetenter Führer eines Teams, muss ich aufrichtig genug sein, um ein gewisses Maß an Staunen einzugestehen, dass ich alles so zufriedenstellend finde. Ich stehe hier ganz auf eigenen Füßen, ich fühle mich geistig wie körperlich fit für die Arbeit, und mir ist klar, dass die anderen es wissen und volles Vertrauen in mich haben. Aber es ist eine Tatsache, dass es in London oder sogar bis wir diesen Punkt hier erreichten, nicht so war. Der Grund des Problems war, dass ich mein Selbstvertrauen verloren hatte.« 28
    Die Spannung wuchs, als Shackleton ihm schrieb und ankündigte, dass er eine Expedition für das Jahr 1911 vorbereite. Er erklärte, er beabsichtige nicht, zum Pol zu gehen, versprach, dass seine Expedition rein wissenschaftlich orientiert sei, und bot an, bei der

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