In den Fängen der Macht
Rücksichtnahme.
»Mrs. Alberton, wenn ich Ihre Tochter verteidigen soll, bin ich gezwungen, auch Mr. Breeland zu verteidigen, außer ich finde einen Weg, die beiden vor den Augen der Öffentlichkeit und damit vor den Augen der Geschworenen voneinander zu trennen. Ich muss die Wahrheit wissen, wie sie auch aussehen mag. Glauben Sie mir, ich kann es mir nicht erlauben, im Gerichtssaal mit Überraschungen konfrontiert zu werden oder einem Prozessgegner gegenüberzutreten, der die Fakten besser kennt als ich.« Er rutschte leicht auf seinem Stuhl hin und her. »Wissen ist meine einzige Waffe, und das Können der ganzen Welt kann einem Mann nichts anhaben, dessen Rüstzeug meinem weit überlegen ist. Die Geschichte von David und Goliath ist wunderbar und kann auf bestimmte Umstände übertragen werden. Was aber sehr oft übersehen oder gar vergessen wird, ist, dass David nicht allein dastand. Ich verfüge leider nicht über sein Vertrauen, dass Gott auf meiner Seite steht.« Er lächelte bei seinen Worten, machte sich damit über sich selbst lustig.
Ihr Kinn fuhr hoch, und sie suchte seinen Blick. »Ich habe absolutes Zutrauen, dass Merrit am Mord ihres Vaters nicht bereitwillig Hilfe leistete«, sagte sie, ohne zu zögern und mit starker Stimme. »Ich glaube jedoch nicht, dass Gott bei jedem Fehler der Justiz eingreift. Tatsache ist doch, dass wir alle nur zu gut wissen, dass er das nicht tut. Sagen Sie mir, was Sie von mir benötigen, Sir Oliver. Ich werde alles geben, was ich besitze, um meine Tochter zu retten.«
Er zweifelte nicht daran, dass sie das auch so meinte. Selbst wenn er sich noch keine Meinung über sie gebildet hätte, wäre ihre Not, ihr Mut und ihre Angst offen in ihrem Gesicht zu lesen gewesen.
»Ich benötige sämtliche Fakten, die sich nur finden lassen«, erwiderte er. »Und ich benötige Ihre Zustimmung, sollte es sich als notwendig herausstellen, was sein kann, dass ich auch Breeland verteidige, welche Konsequenzen sich daraus auch ergeben mögen.« Er beobachtete sie genau, während er sprach, sah am Flackern ihrer Augen, mit welchem Widerstreben sie sich mit einem Mann liieren würde, den sie für den Mörder ihres Gatten hielt.
»Bitte denken Sie genau darüber nach, Mrs. Alberton, bevor Sie antworten«, warnte er. »Ich weiß nicht, worauf ich noch stoßen werde, wenn ich mich erst einmal näher und eindringlicher mit der Sache befasse. Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass es etwas sein wird, was Sie zu erfahren wünschen. Alles, was ich Ihnen sagen kann, ist, dass ich alles tun werde, um Ihren Interessen zu dienen, wenn Sie mich mit dem Fall beauftragen. Ich kann und werde mich Ihres Vertrauens als würdig erweisen. Aber ich werde Sie weder anlügen, noch werde ich Sie vor der Wahrheit schützen können.«
»Ich verstehe.« Sie war jetzt sehr blass, und ihr ganzer Körper schien sich verkrampft zu haben, als ob sie völlig zusammenbrechen würde, würde sie ihre eiserne Kontrolle verlieren. »Ich werde es ertragen, was immer Sie auch herausfinden mögen. Ich glaube, am Ende wird sich herausstellen, dass sich meine Tochter keiner Missetat, höchstens der Torheit schuldig gemacht hat. Tun Sie, was immer Sie für nötig erachten, Sir Oliver.«
»Das wird beinhalten, Monk noch einmal einzuschalten, damit er in dem Fall weitergehende Ermittlungen anstellt, als es bis dato geschehen ist.«
»Alles, was Sie für angemessen halten«, nickte sie.
»Wenn Sie ihm vertrauen, tue ich das auch. Er erwies sich ohnehin bereits mehr als befähigt, indem er Merrit nach Hause zurückbrachte. Wie er es zustande brachte, Breeland davon zu überzeugen, ebenfalls zu kommen, das kann ich mir gar nicht vorstellen.«
»Mit vorgehaltener Waffe, soweit ich es verstanden habe«, entgegnete Oliver trocken. »Aber es scheint, diese Maßnahme war eher deshalb nötig, weil Breeland bei seinem Regiment bleiben wollte, nicht so sehr, weil er sich vor dem Prozess fürchtete. Er behauptet, sich weder des Mordes noch des Raubes schuldig gemacht zu haben.«
Sie erwiderte nichts. Verschiedene Emotionen huschten über ihr Gesicht: Angst, Schmerz, Verwirrung, Zweifel.
Er erhob sich. »Zuerst werde ich mich auf den Weg machen, um mich mit Miss Alberton zu unterhalten. Ich kann wenig unternehmen, bevor ich nicht gehört habe, was sie zu sagen hat.«
»Werden Sie zurückkommen und mir erzählen, was sie sagte?«
Hastig erhob sie sich. Sie bewegte sich mit bemerkenswerter Grazie, was ihm erneut zu Bewusstsein brachte,
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