In den Fängen der Macht
in die Augen sah und ihn dazu bewegen wollte, seine Antworten knapp zu halten. Dass sie zudem respektvoll klingen würden, lag jenseits seiner Hoffnungen, trotz seiner Bemühungen, Breeland davon zu überzeugen, dass es ihn das Leben kosten konnte, wenn er alle gegen sich aufbrachte. Mangelnder Respekt konnte das Zünglein an der Waage bedeuten. Breeland hatte schlicht erwidert, er sei unschuldig, und das sollte genügen.
Rathbone hatte schon früher mit Märtyrern zu tun gehabt. Sie waren anstrengend und hatten selten Verständnis für Vernunftgründe. Sie betrachteten die Welt nur aus einem einzigen Blickwinkel und hörten nicht auf Argumente, die sie nicht zu hören wünschten. In mancherlei Hinsicht war ihre Hingabe bewunderungswürdig. Vielleicht war es auch der einzige Weg, gewisse Ziele zu erreichen, aber solche Leute zogen stets eine Spur der Verwüstung hinter sich her. Rathbone hatte keineswegs die Absicht, Merrit Alberton von Breeland zerstören zu lassen.
Breeland stimmte mit unerwarteter Knappheit zu, dass er Alberton tatsächlich in der Hoffnung aufgesucht hatte, die Waffen erwerben zu können. Als er auf Widerstand gestoßen war und erfahren hatte, dass der Grund dafür eine Verpflichtung Philo Trace gegenüber war, hatte er alles in seiner Macht Stehende getan, um Alberton von der moralischen Überlegenheit der Sache der Union zu überzeugen.
»Und während dieser Zeit lernten Sie Miss Alberton kennen?«
»Ja«, stimmte Breeland zu, wobei endlich der Anflug von Warmherzigkeit über sein Gesicht huschte. »Sie ist ein Mensch von höchster Ehrenhaftigkeit, und sie ist des größten Mitgefühls fähig. Sie verstand das Anliegen der Union und verschrieb sich ihm augenblicklich.«
Rathbone hätte sich gewünscht, er hätte eine romantischere Ausdrucksweise benutzt, dennoch lief es besser, als er erwartet hatte. Er musste umsichtig vorgehen, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass Breelands Emotionen einstudiert wären.
»Sie entdeckten also, dass Sie die wichtigsten Wertmaßstäbe und Überzeugungen miteinander teilten?«
»Ja. Meine Bewunderung für sie war größer, als ich erwartet hatte, sie für eine so junge Frau verspüren zu können, die mit der Wirklichkeit der Sklavenhaltung und all ihrer Übel nicht vertraut war. Sie verfügt über eine außergewöhnliche Gabe, Mitgefühl zu empfinden.« Bei diesen Worten wurde sein Gesicht weich, und zum ersten Mal spielte so etwas wie ein Lächeln um seine Lippen.
Rathbone stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Die Mienen der Geschworenen entspannten sich. Endlich sahen sie den Menschen in dem Mann, einen verliebten Mann, mit dem sie sich identifizieren konnten, nicht nur den Fanatiker.
Er sah nicht zu Merrit hinüber, aber er konnte sich ihre Augen und ihr Gesicht vorstellen.
»Aber trotz allem konnten weder Sie noch Miss Alberton etwas tun, um Mr. Albertons Meinung zu ändern«, fuhr Rathbone fort. »Mr. Alberton ließ sich nicht dazu bewegen, sein Wort Mr. Trace gegenüber zu brechen und stattdessen Ihnen die Gewehre zu verkaufen. Warum wandten Sie sich nicht einfach an einen anderen Lieferanten?«
»Weil er die besten und modernsten Flinten hatte, die augenblicklich verfügbar sind, und noch dazu in großer Anzahl. Ich konnte es mir nicht leisten, länger zu warten.«
»Ich verstehe. Welche Konsequenzen resultierten daraus, Mr. Breeland?«
Breeland klang leicht überrascht.
»Keine. Ich gestehe, ich war sehr wütend wegen seiner Blindheit. Er schien unfähig, einsehen zu können, dass weit wichtigere Dinge auf dem Spiel standen als der geschäftliche Ruf eines einzigen Mannes.« Der schroffe Unterton hatte sich wieder in seine Stimme geschlichen, und er richtete seine Aufmerksamkeit ausschließlich auf Rathbone. Merrit schien aus seinen Gedanken verschwunden zu sein. Er lehnte sich über die Brüstung des Zeugenstandes. »Er war ein Mann ohne Visionen, was ich ihm auch von den Übeln der Sklaverei erzählte.« Er machte eine abwertende Handbewegung. »Und all die ehrenwerten Herren haben keine Ahnung, wie sehr es an der menschlichen Seele nagt, wenn man einmal gesehen hat, wie menschliche Wesen mit weniger Würde behandelt werden, als sie ein anständiger Mann seinen Rindern zugesteht.« Seine Stimme bebte vor aufflammendem Zorn, und sein Gesicht glühte. Rathbone verstand sehr wohl, warum Merrit sich in ihn verliebt hatte. Was er weniger verstehen konnte, war, welche Art von Zärtlichkeit oder Geduld Breeland ihr entgegenbringen würde,
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