In den Fängen der Macht
ob er ihr Lachen, Toleranz oder Freude im Alltag schenken würde, welche Dankbarkeit für Kleinigkeiten, und vor allem, ob er bereit sein würde, Schwächen zu verzeihen und Verständnis für die Bedürfnisse des Alltagslebens zu haben.
Aber Rathbone war Mitte vierzig und Merrit war sechzehn Jahre alt. Vielleicht dauerte es noch Jahre, bevor sie den Wert solcher Dinge erkennen würde. Im Moment war Breeland ein Held, und einen solchen wünschte sie sich. Sie kannte seine Schwächen und liebte ihn dafür umso mehr. Seine Grenzen sah sie nicht.
»Wir haben vernommen, dass Sie in der Todesnacht von Mr. Alberton einen Streit mit ihm hatten und ihm beim Abschied sagten, Sie würden Ihr Ziel am Ende doch erreichen, ungeachtet dessen, was er tun würde. Was meinten Sie damit, Mr. Breeland?«
»Nun, dass das Anliegen der Union gerecht sei und am Ende über Ignoranz und Eigeninteresse triumphieren würde«, erwiderte Breeland so kurz und bündig, als ob die Antwort ohnehin für jedermann offensichtlich hätte sein müssen. »Es war keine Drohung, sondern einfach die Darstellung der Wahrheit. Ich habe Mr. Alberton kein Leid zugefügt, Gott ist mein Zeuge.«
Rathbone ließ seine Stimme gleichmütig, fast sachlich klingen, als ob er Breelands Zurückweisung einer Schuld und die Leidenschaft, mit der er dies vorgebracht hatte, nicht gehört hätte.
»Wohin gingen Sie, als Sie Mr. Albertons Haus verließen?«
»Zurück zu meiner Wohnung.«
»Allein?«
»Natürlich.«
»Trafen Sie mit Miss Alberton irgendwelche Verabredungen, dass sie Ihnen folgen sollte?«
Breeland öffnete den Mund, um instinktiv zu antworten, dann änderte er seinen Entschluss. Vielleicht erinnerte er sich an Rathbones Warnung bezüglich der Sympathie der Geschworenen.
»Nein«, sagte er feierlich. »Ich hatte nicht den Wunsch, mich zwischen Miss Alberton und ihre Familie zu stellen. Meine Absichten ihr gegenüber waren stets ehrenhaft.«
Rathbone wusste, dass er sich auf gefährlichem Boden bewegte, der voller Fallgruben war. Er wünschte, er könnte die Frage vermeiden, aber sie nicht zu stellen, wäre so auffallend gewesen, dass er damit eher Schaden angerichtet hätte.
»Sie begaben sich also in Ihre Wohnung, Mr. Breeland. Hatten Sie, aus irgendwelchen Gründen, die Uhr von Miss Alberton zurückgenommen, die Sie ihr als Andenken geschenkt hatten?«
Breeland antwortete, ohne zu zögern. »Nein.« Sein Blick war unerschrocken.
Rathbone hatte nicht die Absicht gehabt, die Geschworenen anzusehen, aber wider Willen warf er doch einen Blick auf sie. Er sah die Kälte auf ihren Gesichtern. Sie glaubten Breeland, dennoch mochten sie ihn nicht. Auf irgendeine subtile Art hatte er zwischen sich und Merrit eine Kluft geschaffen. Merrits Loyalität galt ihm, Breelands Loyalität galt seinen Überzeugungen. Nicht das, was er gesagt hatte, hatte die Misstöne erzeugt, sondern auf welche Weise er es gesagt hatte, und vielleicht auch das, was er nicht gesagt hatte.
»Haben Sie irgendeine Ahnung, wie die Uhr in die Tooley Street gekommen sein könnte?«, fragte Rathbone.
»Überhaupt keine«, erwiderte Breeland. »Außer, dass sie weder von Miss Alberton noch von mir selbst dort fallen gelassen werden konnte. Sie kam gegen halb neun in meiner Wohnung an und blieb mit mir dort, bis wir sie gemeinsam kurz vor Mitternacht verließen, als Mr. Shearer die Nachricht schickte, Mr. Alberton hätte seine Meinung geändert und wäre nun einverstanden, die Waffen doch an die Union zu verkaufen. Wir fuhren gemeinsam zum Bahnhof am Euston Square und von dort nach Liverpool.« In wenigen Sätzen fasste er die ganze Geschichte zusammen und überließ dadurch Rathbone weniger Fragen, als dieser eigentlich hatte stellen wollen. Da aber sein Bericht spontan und sicher vorgebracht wurde, war es vielleicht besser, als wenn Rathbone ihn von Antwort zu Antwort geführt hätte.
»Waren Sie von der Nachricht Mr. Shearers überrascht?«, begann Rathbone und war sich augenblicklich bewusst, dass Deverill auf die Füße sprang.
»Ich entschuldige mich, Euer Ehren«, fügte er schnell hinzu. »Von der Nachricht, die angeblich von Mr. Shearer kam?«
»Ich war erstaunt«, gab Breeland zu.
»Aber Sie zogen sie nicht in Zweifel?«
»Nein. Ich kannte die Gerechtigkeit meines Anliegens. Ich glaubte, Alberton hätte sie letztendlich auch erkannt und dass die Befreiung der Sklaven weit wichtiger war als das Geschäftsgebaren und der ehrenhafte Ruf eines einzigen Mannes. Ich bewunderte ihn
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