In den Fängen der Macht
kannte.
Andererseits war Trace Amerikaner und hatte vielleicht Freunde in Washington. Sicherlich kannte er das Land und war mit den Reisemöglichkeiten per Zug oder Schiff vertraut. Was aber noch wichtiger war, er kannte die Sitten und Gebräuche der Menschen und würde manches Problem lösen können, das für Monk unüberwindlich sein könnte.
Er studierte den Mann, der in dem sonnendurchfluteten Raum stand, sein Gesicht Judith zugewandt hatte und auf ihre Entscheidung, nicht auf die Monks, wartete. Er wirkte nicht wie ein Soldat, sondern eher wie ein Poet, und unter seinem Charme war die Selbstdisziplin zu erkennen, und die Grazie seines schlanken Körpers ließ beträchtliche Kraft vermuten.
»Ich danke Ihnen«, nickte Judith. »Ich für meinen Teil wäre sehr dankbar, aber Sie müssen sich mit Mr. Monk einigen, ob Sie ihn begleiten oder nicht. Ich habe ihm die Freiheit gewährt, nach eigenem Gutdünken zu verfahren, und ich bin auch der Meinung, dass dies die einzige Möglichkeit ist, die es ihm erlaubt, eine derartige Aufgabe zu lösen.«
Trace blickte Monk an, die Frage stand in seinen Augen.
»Ich habe die feste Absicht zu reisen«, erklärte er feierlich. »Ob ich nun mit Ihnen reise oder geradewegs hinter Ihnen, ist eine Frage, die Sie beantworten müssen. Aber Sie werden mich brauchen, das schwöre ich Ihnen. Sie glauben, wir sprechen dieselbe Sprache, und Sie meinen, sich verständlich machen zu können. Doch das stimmt nur bedingt.« Ein Anflug von Amüsement huschte über sein Gesicht, voller Schwermut und Selbstironie.
»Ich musste dies dort drüben am eigenen Leib erfahren. Wir benutzen zwar dieselben Wörter, aber wir meinen nicht immer dieselben Dinge damit. Sie kennen Amerika nicht, ebenso wenig den Zustand, in dem wir uns momentan befinden. Sie können die Probleme nicht verstehen…«
Ein unkontrollierbarer Schmerz verzerrte plötzlich seine Lippen. »Niemand kann das, am wenigsten wir selbst. Wir sehen, wie unsere Art zu leben zerstört werden soll. Wir verstehen es nicht. Wandel jagt uns Angst ein, und da wir Angst haben, werden wir zornig und treffen falsche Entscheidungen. Ein Bürgerkrieg ist eine schreckliche Angelegenheit.«
Während er in diesem ruhigen, sonnigen Salon saß, der von den Gewinnen aus dem Handel mit Kriegsmaterial so freundlich gestaltet war, wurde Monk plötzlich bewusst, dass er noch nie mit Krieg konfrontiert gewesen war. Wenigstens nicht, soweit er sich erinnern konnte. Er kannte Armut, Gewalt, hatte ab und zu Krankheit erlebt und wusste eine Menge von Verbrechen, aber Krieg als eine Verrücktheit, die ganze Völker vernichtete und nichts unberührt ließ, war ihm unbekannt.
Spontan traf er seine Entscheidung. »Ich danke Ihnen, Mr. Trace. Unter der Voraussetzung, dass ich meine eigenen Entscheidungen treffe und es mir freisteht, Ihren Rat anzunehmen oder abzulehnen, heiße ich Ihre Begleitung sowie den Beistand, den Sie mir zu geben bereit sind, willkommen.«
Trace entspannte sich, der kummervolle Ausdruck in seinem Gesicht wich ein wenig. »Gut«, sagte er kurz.
»Dann werden wir morgen früh abreisen. Sollte ich Sie am Bahnhof oder im Zug nicht treffen, werden wir uns im Büro der Dampfschifffahrtsgesellschaft in der Water Street in Liverpool treffen. Das nächste Schiff segelt mit der ersten Flut am Mittwochmorgen. Ich verspreche, ich werde Sie nicht enttäuschen, Mr. Monk.«
Am Morgen fuhren Hester und Monk zum Bahnhof Euston Square. Es war ein sonderbares Gefühl, da für Hester Erinnerungen an die Abreise zur Krim vor sieben Jahren wachgerufen wurden und sie damals ebenso wenig wusste, was sie erwartete, wie das Land sein würde, das Klima und wie die Luft riechen und sich anfühlen würde. Auch damals war sie von einer Mission erfüllt gewesen. Sie war in so vielerlei Hinsicht so viel jünger gewesen, nicht nur ihr Gesicht und ihr Körper, sondern insbesondere was ihre Erfahrung und ihr Verständnis für Menschen betraf und wie Ereignisse und Umstände sie verändern konnten. Damals war sie sich weit mehr Dingen sicher gewesen und überzeugt davon, sich selbst zu kennen.
Nun wusste sie genug, um zu erahnen, was sie alles nicht wusste und wie leicht es war, Fehler zu begehen, vor allem in Situationen, in denen man sich sicher war, die richtige Entscheidung zu treffen.
Sie hatte keine Ahnung, was sie in Washington erwartete. Sie wusste nicht, ob sie überhaupt eine Chance hatten, Merrit Alberton nach England zurückzubringen. Das Einzige, dessen sie
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