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In den Fängen der Macht

In den Fängen der Macht

Titel: In den Fängen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Dabei tat es kaum etwas zur Sache, dass es Breeland gewesen war, der Albertons Ruin bedeutet hatte, und nicht der Erpresser.
    Oder war es Mitgefühl für Judith Alberton, die binnen einer schrecklichen Nacht alles verlor, was ihr lieb und teuer war?
    Hesters Antwort jedenfalls bezog Judith mit ein.
    »Also gut. Aber bist du dir sicher, dass Merrit nichts damit zu tun hatte, nicht einmal unwissentlich? Ich glaube, sie war leidenschaftlich in Breeland verliebt. Sie sah ihn als eine Art Heiligen der Soldaten an.« Sie runzelte die Stirn. »Ich nehme an, du bist überzeugt davon, dass es Breeland war? Es kann doch nicht der Erpresser gewesen sein, oder, was meinst du? Schließlich verlangte er die Gewehre als Preis für sein Schweigen.«
    »Nein.« Er senkte den Blick, als ob er einen innerlichen Schmerz zu verbergen suchte. »Ich fand Breelands Uhr auf dem Hof des Lagerhauses. Sie konnte noch nicht lange dort gelegen haben. Sie war nur leicht mit Erde verschmutzt und lag in der Nähe der Spuren der Lastkarren. Bei Tageslicht hätte sie jeder sofort gesehen und aufgehoben. Und da Alberton sich weigerte, ihm die Waffen zu verkaufen, hatte er ja keinen legitimen Grund, sich auf dem Hof aufzuhalten.«
    Sie spürte, wie eine Schwindel erregende Aufregung sie erfasste.
    »Breelands Uhr?«, wiederholte sie. »Wie sieht sie aus?«
    »Wie sie aussieht?« Er war verwirrt. »Eine Uhr eben. Eine runde Golduhr, die man an einer Kette trägt.«
    »Woher weißt du, dass es seine war?«, fuhr sie beharrlich fort. Obwohl sie wusste, dass der Versuch nichtig sein würde, fühlte sie sich dazu gezwungen.
    »Weil sein Name eingraviert war und ein Datum.«
    »Welches Datum?«
    Ein Anflug von Ungeduld machte sich auf seinem Gesicht breit. Er war zu müde und zu verletzt für Haarspaltereien. »Was tut das zur Sache?«
    »Welches Datum?«, insistierte sie.
    Er starrte sie an. Vor Erschöpfung und Enttäuschung ließ er seine Schultern sinken, »1. Juni 1848. Warum? Warum machst du daraus eine derartige Sache, Hester?«
    Sie musste es ihm sagen. Es war nichts, was sie vor ihm verheimlichen durfte. Ohne dieses Wissen durfte sie ihm nicht erlauben, nach Amerika zu fahren.
    »Es war nicht Breeland, der die Uhr verlor«, sagte sie sehr gefasst. »Er schenkte sie Merrit als Erinnerung. Sie zeigte mir die Uhr an dem Abend, als wir zum Dinner eingeladen waren. Sie sagte, sie würde die Uhr niemals mehr ablegen.«
    Er sah sie an, als ob er kaum begreifen konnte, was sie sagte.
    »Es tut mir Leid«, fügte sie hinzu. »Aber sie muss dort gewesen sein, ob nun freiwillig oder nicht.« Ein anderer Gedanke schoss ihr durch den Kopf. »Außer, er nahm ihr die Uhr wieder ab und ließ sie selbst fallen, vorsätzlich …«
    »Warum, um Gottes willen, sollte er das tun?«
    Sie sah in seinen Augen, dass er die Antwort wusste, bevor sie sie formulierte.
    »Um sie zu belasten… damit wir ihn nicht verfolgen…
    eine Art Warnung, dass er sie bei sich hat… als Geisel.« Schweigend saß er da und dachte über diesen neuen Aspekt nach.
    Sie wartete. Es hatte keinen Sinn, die Möglichkeiten im Detail zu zerpflücken. Er konnte sie sich ebenso gut ausmalen wie sie, vermutlich besser. Sie schenkte sich und ihm noch Tee ein, der dieses Mal gut durchgezogen, aber nicht mehr ganz so heiß war.
    »Mrs. Alberton weiß, dass er sie möglicherweise als Geisel hält«, sagte er schließlich. »Dennoch möchte sie, dass wir es versuchen.«
    »Und wenn sie aus freien Stücken ging?«, fragte sie. Man musste den Fakten ins Auge sehen.
    »Sie weiß, dass Merrit hitzköpfig und idealistisch ist und handelt, bevor sie nachdenkt, aber sie glaubt nicht, dass sie, unter welchen Umständen auch immer, einen Mord verzeihen könnte.« Jetzt beobachtete er sie, versuchte in ihren Augen abzulesen, ob sie dem zustimmte.
    »Ich hoffe, sie hat Recht«, antwortete sie.
    »Glaubst du das etwa nicht?«, fragte er hastig.
    »Ich weiß es nicht. Aber was könnte eine Frau schon von ihrem Kind anderes sagen?«
    »Willst du, dass ich den Auftrag ablehne?«
    »Nein.« Die Antwort schlüpfte ihr über die Lippen, bevor sie sie abwägen konnte, und sie überraschte sie mehr als ihn. »Nein«, wiederholte sie. »Wenn ich in der Situation wäre, denke ich, möchte ich lieber die Wahrheit wissen, als mein ganzes Leben lang mit der Hoffnung auf das Beste leben und doch das Schlimmste befürchten zu müssen. Wenn ich jemanden liebte, würde ich hoffen, dass ich das Vertrauen hätte, ihn zu prüfen. Aber es

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