In den Fesseln des Wikingers
immer noch nicht fertiggestellt und nur mit Zweigen gedeckt war. Rodena fügte sich, denn sie hatte wenig Lust, sich vor seinen Kameraden für ihre Reise rechtfertigen zu müssen.
Das Haus war voller Männer, die dort auf Fellen und Decken lagen, einige schliefen, andere lagen mit offenen Augen, und sie konnte erkennen, dass sie verwundet waren. Es musste einen Kampf gegeben haben, der den Wikingern viele Verluste beigebracht hatte.
Sie suchte sich eine freie Ecke und ließ sich erschöpft auf den Boden sinken. Mutlosigkeit erfasste sie, und die Kälte ließ ihre Zähne aufeinanderschlagen. Natürlich war er wütend auf sie, das hatte sie auch erwartet, denn sie war fortgelaufen, ohne ihm den Grund mitzuteilen. Aber sie hatte nicht daran gedacht, wie sehr sie ihn vor seinen Männern bloßstellte, und jetzt bereute sie ihre übereilte Entscheidung.
Bis zum Abend hockte sie zusammengekauert an der gleichen Stelle, hörte den Wind über dem Dach heulen und fühlte, wie ihr Körper immer mehr auskühlte. Thore schien sie mit Missachtung strafen zu wollen, er kam zwar in das Gebäude, doch nur um nach den Verwundeten zu sehen, an Rodena ging er schweigend vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen.
„Thore!“, sprach sie ihn leise an. „Lass mich dir erklären.“
Doch er schien taub zu sein, denn er ging hinaus und drehte sich nicht um.
Immerhin erschien Erik gegen Abend bei ihr, spannte einige Felle zwischen Dach und Wänden, um ihr einen abgeteilten Raum zu schaffen, und warf ihr eine trockene Decke zu.
„Wenn du essen willst, musst du hinauskommen“, sagte er unfreundlich und verschwand. Er machte nicht den Eindruck, als habe er diesen Dienst für sie gern oder auch nur freiwillig getan.
Rodena zog sich das nasse Gewand vom Körper, breitete es zum Trocknen aus und wickelte sich in die trockene Decke. Ihr wurde zwar nicht viel wärmer davon, doch sie fühlte sich dennoch besser, und sie begann sich trotz allem über Thore zu ärgern.
Was stellte er sich so an? Sie hatte ihm alles erklären wollen, aber er war stur und wollte ihr nicht zuhören. Zornig beschloss sie, lieber zu hungern, als in die Decke gewickelt hinauszulaufen und zum Gespött der Männer zu werden.
Erst spät in der Nacht schob Thore die Felle beiseite und trat zu ihr. Er hielt einen Kienspan in der Hand und leuchtete sie an, setzte sich dann neben sie und blies das Licht aus.
„Ich will nicht wissen, wo du gewesen bist und was du getan hast“, sagte er leise mit dunkler Stimme. „Ich will nur, dass du mir eine Frage beantwortest.“
„Ich werde dir alles erklären, Thore. Hör mir zu ...“
„Schweig!“, unterbrach er herrisch.
Sie verstummte zornig, denn sie fand, dass er ungerecht war.
„Sage mir, weshalb du zurückgekommen bist“, forderte er.
Sie brauchte eine Weile, um ihren Ärger hinunterzuschlucken, doch dann begriff sie, wie sehr sie sein Vertrauen erschüttert hatte, und fügte sich.
„Ich kam, weil ich dich liebe, Thore. Und weil ich an deine Seite gehöre.“
Sie konnte sein Gesicht im Dunkeln nicht erkennen, doch sie hörte sein rasches Atmen und wusste, dass er ihre Worte abwog.
„Ich schwöre, dass es die Wahrheit ist ...“
„Schwöre nichts!“, sagte er dumpf. „Ich glaube deinem Wort. Lass uns jetzt schlafen.“
„Aber ich muss dir erzählen ...“
„Nein.“
Sie hörte, wie er sich neben ihr am Boden ausstreckte, doch sie regte kein Glied, um sich neben ihn zu legen. So dachte er sich das also. Er wollte nichts wissen und nichts hören, nur ihre Liebesbeteuerung hatte er angenommen, doch ohne sie zu erwidern. Dickköpfig blieb sie in ihrer Ecke hocken, lehnte sich mit dem Rücken gegen die harten, unbehauenen Stämme und zog die Beine an den Körper. Wenn er glaubte, sie hätte jetzt Lust auf seine Zärtlichkeiten, dann hatte er sich getäuscht.
Doch er rührte sie nicht an, lag der Länge nach ausgestreckt auf dem Rücken und atmete so ruhig, dass sie annehmen musste, er sei eingeschlafen.
Auch gut, dachte sie wütend und schloss die Augen. Morgen ist auch noch ein Tag, und da wirst du mir zuhören müssen, Thore Eishammer. Ob du willst oder nicht.
Doch als sie am folgenden Morgen erwachte, lag Thore schon längst nicht mehr neben ihr. Stattdessen war draußen lautes Stimmengewirr zu hören, und als sie die Felle beiseite schob, stellte sie fest, dass sich sogar einige der Verwundeten bewaffnet und nach draußen geschleppt hatten. Was war geschehen?
Sie schlüpfte in ihr immer noch
Weitere Kostenlose Bücher