In den Fesseln des Wikingers
nicht, dass ich milde sein werde, wenn ich seiner habhaft werde!“
„Ich bin nicht nur Kiras, sondern auch deine Tochter“, rief sie laut und ging furchtlos auf die Tafel zu. Mit einer raschen Bewegung fegte sie die Tonscherben auf den Boden, dann stützte sie sich mit beiden Händen auf die hölzernen Bretter, beugte sich vor und sah ihm ins Gesicht. Sie sprach leise, doch ihr Ton enthielt eine Drohung.
„Ich liebe Thore Eishammer, den Wikinger. Daran wirst du nichts ändern können, denn ich will lieber sterben, als mich von ihm loszusagen.“
Sie sah, wie seine buschigen Brauen sich senkten und die Zornadern an seinen Schläfen anschwollen, er hatte tatsächlich etwas von einem Wolf, wenn er sein Gegenüber anstarrte. Doch sie hielt seinem Blick stand, wich ihm nicht aus und senkte auch nicht die Augen. Eine Weile maßen sie sich, und keiner von beiden wollte nachgeben. Dann erfuhr sie zum ersten Mal, dass auch er sie verblüffen konnte.
Seine zornige Miene löste sich auf, und sie sah ihn lachen. Es war kein fröhliches Gelächter, denn er kannte keine Heiterkeit, doch es klang voller Befriedigung, und er stieß sogar einen langen Fluch aus.
„Verdammt will ich sein, an dieser Sturheit erkenne ich mein eigen Fleisch und Blut!“
***
Niemand begriff, weshalb der Herzog wenige Tage später solche Anweisungen gab, nur der Burgvogt schien den Grund zu kennen, doch er schwieg und sorgte dafür, dass alles nach dem Willen seines Herrn geschah. Die drei Gefangenen durften das Verlies verlassen, man hatte sie mit warmer Kleidung zu versorgen und würde die Burschen den Winter über durchfüttern müssen. Im Frühjahr sollten sie ein Stück Land im Westen erhalten, und es war ihnen freigestellt, ob sie sich dort ansiedeln oder in ihre Heimat zurückkehren wollten.
„Solche Kerle auch noch zu belohnen! Haben etliche der unsrigen erschlagen, und dafür erhalten sie auch noch Land.“
„Na und? Wer will schon drüben im Westen siedeln, wo Alain Schiefbart seine gierigen Finger ausstreckt. Kaum haben sie das Land gerodet, dann wird er es ihnen wieder nehmen.“
„Vielleicht auch nicht. Das sind harte Burschen, die werden ihr Land schon zu verteidigen wissen.“
„Wenn sie es überhaupt haben wollen. Das sind Räuber und Plünderer, weshalb sollten sie sich geändert haben? Im kommenden Sommer werden sie wieder über uns herfallen und sich dann mit ihrer Beute nach Norden aufmachen.“
„Und die kleine Wikingerhure wird mit ihnen ziehen. Die ist ja ganz verrückt nach diesem Kerl mit dem wolligen Haar. Schade um die Kleine, sie scheint ein liebes Ding zu sein.“
„Hure bleibt Hure. Der Herzog hat ganz recht, sie dem Wikinger zu geben. So eine taugt für keinen anderen mehr.“
Papia kümmerte sich wenig um das Geschwätz der Burgbewohner, denn sie schwamm in Seligkeit.
„Wie hast du das nur gemacht, Rodena? Ich wusste ja, dass du eine Zauberin bist, gewiss hast du dem Herzog einen Bann auferlegt, so dass er nun alles tun muss, was du von ihm verlangst.“
Dafür hatte Rodena nur ein müdes Lächeln, denn Wilhelm Langschwert war weit davon entfernt, ihre Wünsche zu erfüllen. Dass er die drei Wikinger im Westen seines Landes ansiedeln wollte, war im Grunde nichts weiter als die Klugheit eines Herrschers, der seinen Machtbereich durch Siedlungen festigte. Harte Arbeit würde ihnen im Frühjahr bevorstehen, falls sie tatsächlich auf sein Angebot eingingen, denn das Land musste zuerst gerodet und urbar gemacht werden.
Man hatte Ubbe für den Winter die kleine Hütte zugewiesen, in der die beiden Frauen eine Weile gewohnt hatten, und Papia schleppte eifrig Felle und Decken herbei, um mit ihm dort einzuziehen. Auch die alte Magd hatte zu tun, denn der Burgvogt hatte ihr befohlen, Töpfe und Tiegel, Eimer und Schemel und viele andere Dinge herbeizuschaffen, damit die beiden sich versorgen konnten. Sie tat es widerwillig, suchte mit Absicht die schadhaftesten und ältesten Geräte aus und schleppte sie schnaufend herbei, um sie Papia vor die Füße zu werfen.
„Wer einem Wikinger vertraut, der ist ein Dummkopf“, murmelte sie. „Eines Tages wird unser Herzog den Lohn für seine Großmut erhalten.“
Am folgenden Tag hieß es Abschied nehmen, denn Wilhelm hatte bestimmt, dass Rodena ihn nach Rouen begleiten sollte. Auch jetzt fanden sich zahlreiche Gaffer auf dem Burghof ein, die lange Hälse machten, als sie sahen, dass die schwarzhaarige Gefangene ein schön gesatteltes Pferd erhielt und zwischen
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