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In den Fesseln des Wikingers

In den Fesseln des Wikingers

Titel: In den Fesseln des Wikingers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan McFadden
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und vorsichtig hineinspähte.
    Sie fand schnarchende Männer, einige schmatzten selig vor sich hin, andere zuckten in wilden Träumen mit Armen oder Beinen, in einem Zelt lag ein nacktes Paar unter einer Decke, und sie konnte das helle Haar einer der Wikingerfrauen erkennen, die dort mit Halvdan das Lager teilte.
    Während sie mit fliegendem Atem hastig weitersuchte, überlegte sie, was sie ihm sagen würde. Er würde sie ohne Zweifel für verrückt erklären, wenn sie von ihm verlangte, auf der Stelle mit ihr gemeinsam das Lager zu verlassen. Schlimmer noch: Vielleicht würde er sie gar nicht anhören, denn er war sicher immer noch zornig auf sie.
    Es gab nur eine Möglichkeit. Sie würde ihm sagen, dass sie sich entschlossen habe, ihm nach Norwegen zu folgen. Es würde keine Lüge sein, denn sie war bereit, dieses Opfer zu bringen, um sein Leben zu retten. Dieses Einlenken würde ihren Streit beenden, Thore würde einwilligen, die Nacht mit ihr weitab vom Wikingerlager am Strand zu verbringen. So weit entfernt, dass sie beide der Gefahr entrinnen konnten – worin auch immer sie bestand.
    Endlich erspähte sie ein Zelt, aus dem die Füße eines Schläfers herausragten, und sie erkannte Thores Schuhe. Erleichtert wollte sie hinüberlaufen, doch in diesem Augenblick verdeckte eine Wolke den Mond, und das Lager versank in Dunkelheit. Ein Vogel schrie, und sie erschrak bis ins Mark, denn es war nicht der Ruf eines Wasservogels. Deutlich erkannte sie die heisere Stimme einer Krähe. Wind erhob sich, ließ die Glut im fast erloschenen Feuer rot aufleuchten, die Häute der Zelte flattern. Er trieb die Wolken über den Himmel, und im schwankenden Mondlicht erblickte Rodena plötzlich eine Gestalt, die sich ebenfalls Thores Zelt näherte. Sie war seltsam vermummt, lief geduckt, doch als ein Windstoß den Stoff, in den sie sich gehüllt hatte, auseinanderwehte, blitzte für einen Moment ein helles, bloßes Knie auf. Eine der Wikingerfrauen! War es Gudrun?
    Rodena stand wie erstarrt, und eine brennende Eifersucht stieg in ihr auf. Hatten die beiden sich gar miteinander verabredet? Dieses Weib war nackt unter der Decke, sie schlich sich zu Thores Zelt – es war nicht schwer zu erraten, was sie dort vorhatte.
    Unfassbar! Sie bangte um sein Leben, war bereit, alles aufzugeben und ihm zu folgen – und er gönnte sich eine Liebesnacht mit einer anderen. Hatte er vielleicht gar nicht mehr die Absicht, sie zur Frau zu nehmen? Ja natürlich – wieso war sie nur so begriffsstutzig gewesen? Es war die Flut der schrecklichen Bilder, die ihr den Verstand vernebelt hatte. Mit seinen Worten vorhin hatte er sich endgültig von ihr losgesagt.
    Jetzt hatte die Frau Thores Zelt erreicht, sie ließ sich auf alle viere herab und kroch zu ihm hinein. Einen Augenblick lang dachte Rodena daran, ihr zu folgen, die beiden Verräter zur Rede zu stellen, und Thore wütend zu erklären, dass sie ihn von nun an seinem Schicksal überließe. Doch sie tat es nicht – es wäre allzu lächerlich gewesen.
    Im Zelt wurde es lebendig. Thores halblaute, unwillige Stimme war zu hören, unterbrochen von dem aufgeregten Flüstern der Frau, dann ein Geräusch wie ein leichter Schlag. Ringsum erwachten die Schläfer, denn nun begann die Frau laut zu kreischen, und man vernahm einige lange und zornige Flüche, die Thore ausstieß. Gleich darauf stolperte die Wikingerfrau völlig unbekleidet aus dem Zelt, fiel in den Sand, ihre Decke wurde ihr mit kräftigem Schwung nachgeworfen und der Wind trug sie wie einen flatternden Nachtvogel zum Watt hinüber.
    „Verschwinde, geiles Weibsbild!“
    Der Tumult erweiterte sich, denn inzwischen waren einige Männer herbeigelaufen, Gelächter war zu hören, dann aber erhob sich Sigurds zornige Stimme.
    „Verteidige dich, Thore! Ich stehe für die Ehre meiner Schwester ein!“
    „Niemand will ihr an die Ehre – am wenigsten ich!“, brüllte Thore zurück. „Behalte deine Schwester – ich will sie nicht!“
    „Du wagst es, meine Schwester zurückzuweisen? Weißt du, welche Schmach du mir damit antust? Her zu mir, meine Freunde! Helft mir, Rache zu nehmen! Thore Eishammer hat mich beleidigt und meine Ehre verletzt!“
    „Bist du verrückt geworden, wegen diesem Weib solch einen Aufstand zu machen?“
    Doch der Streit war nicht mehr aufzuhalten. Es war, als habe der stürmisch heulende Wind auch die Gemüter der Männer erfasst, als peitsche er ihren Zorn so gewaltig in die Höhe wie die Wellen der See, die sich schäumend

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