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In den Fesseln des Wikingers

In den Fesseln des Wikingers

Titel: In den Fesseln des Wikingers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan McFadden
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und zischend mit der Flut näherten. Überall waren die Männer von ihren Decken aufgesprungen, hatten sich bewaffnet, und einige begannen, miteinander zu kämpfen, ohne überhaupt zu wissen, was geschehen war. Rodena hörte die wilden, zornigen Rufe, sah Kämpfer aufeinander eindreschen, sich gegenseitig blutige Wunden schlagen, und sie begriff, dass es die Saat der krähenäugigen Göttin war, die nun auf schreckliche Weise aufging. Rasch hatten sich zwei Parteien gebildet, und die alte Feindschaft, die unter der raschen Verbrüderung geschwelt hatte, trug reiche Früchte.
    Rodena wurde zu Boden gerissen, als einer der Kämpfer, von einem Dolch getroffen, zurückstolperte, mühsam richtete sie sich wieder auf, eine Wikingeraxt, die ihr Ziel verfehlt hatte, flog dicht an ihr vorbei und grub sich in den Sand. Wo war Thore? Das Gewühl in der Nähe seines Zeltes war so dicht, dass sie ihn nicht sehen konnte. Sie fasste den Stiel der Axt und zog die Waffe aus dem Sand, doch als sie sich durch die Kämpfenden hindurchschob, um Thore zu Hilfe zu eilen, klang ihr plötzlich der Ruf ihrer Göttin in den Ohren. Er war gellend laut, so dass sie fast das Bewusstsein verlor und die Axt ihrer Hand entglitt.
    Flieh!
    Sie musste gehorchen.
    ***
    Die Göttin gab ihr Flügel. Rodena hatte keine Ahnung, wohin sie sie trug, sie sah die unendliche Leere des Watts, über das die Wolkenschatten huschten, sie hörte das Donnern und Zischen des heranströmenden Wassers weit in der Ferne, dann wieder spürte sie trockenen Sand unter den Füßen. Sie stieg über kantiges Geröll, stürzte und schlug sich die Knie wund, sie zog sich an steilem, zerklüftetem Fels in die Höhe, spürte den Sturm, der ihr an Haar und Gewand zerrte und sie in die Tiefe reißen wollte. Doch immer war die Göttin an ihrer Seite, um sie zu schützen.
    Sie lief über Grasland, spürte die harten, trockenen Halme im sandigen Boden, Steine lagen im Weg, dann hatte sie feuchtes Laub unter den Füßen und roch den Duft des Waldes. Vollkommen erschöpft wollte sie sich zwischen die knorrigen Wurzeln einer Eiche kauern, doch es gab keine Rast, ihre Göttin trieb sie hartnäckig voran. Ein Fels erhob sich vor ihr, gewaltig im Mondlicht wie ein schwarzer Riese, Büsche und kleine Birken bewuchsen sein Haupt und bogen sich tief im aufkommenden Sturm. Am Fuß des Felsens tat sich eine langgezogene, niedrige Öffnung auf, gleich einem breiten Mund. Dorthinein in den Schutz des harten Felsgesteins befahl sie ihre strenge Führerin und wich dann endlich von ihr. Draußen wütete der Sturm, beugte die Baumkronen tief hinab, strich heulend um den Fels, und in den aufgewühlten Winden trieben die schwarzen Vögel der Morrigan über das Land.
    Rodena hockte zitternd vor Erschöpfung und Kälte im Inneren des Felsens, spürte in ihrem Rücken das kühle, feuchte Gestein und wagte nicht, sich zu bewegen. Sie war geborgen vor der Macht der krähenäugigen Morrigan – doch zugleich starb sie fast vor Verzweiflung, denn sie ahnte, dass Thore dort draußen im Kampf sein Ende finden würde.
    Die ganze Nacht über tobte der Sturm, und sie hörte sein Kreischen auch dann, wenn sie für kurze Zeit in einen unruhigen Schlummer fiel. Erst gegen Morgen legte sich der Wind, und ein blasser Lichtstreifen schob sich in die Höhle hinein bis zu ihren Füßen. Rodena kroch zum Ausgang, um zurück an den Strand zu laufen, doch eine abgrundtiefe Müdigkeit ließ ihre Augenlider schwer werden. Rodena kauerte sich wie ein Säugling auf dem Boden der Höhle zusammen, und ein tiefer, erlösender Schlaf ließ sie alles vergessen.
    Als sie erwachte, war das Licht ein Stück nach links gewandert, es zitterte und ließ den grauen Stein silbrig schimmern. Erschrocken richtete sie sich auf – es musste um die Mittagszeit sein, wieso hatte sie nur so lange geschlafen? Sie rieb sich die schmerzenden Glieder, denn der Steinboden war unbarmherzig hart und für ein Nachtlager wenig geeignet, dann stellte sie fest, dass die Höhle viel größer und höher war, als es zunächst den Anschein gehabt hatte. Die Felswände waren in der Nähe des Eingangs glatt, doch im hinteren Bereich konnte sie Zacken und Abbrüche erkennen, auch lagen Steinbrocken und kleines Geröll am Boden. Wie tief man in den Fels hineinkriechen konnte, war nicht zu erkennen, denn das Ende der Höhle lag in Finsternis.
    Sie kroch auf allen vieren durch den niedrigen Ausgang und blinzelte in die helle Mittagssonne. Ein uralter Wald breitete sich

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