Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In den Fesseln des Wikingers

In den Fesseln des Wikingers

Titel: In den Fesseln des Wikingers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan McFadden
Vom Netzwerk:
Kraft dazu, also kroch sie dicht zu ihm heran und schmiegte sich an ihn. Seine Glieder waren kalt und schlaff, doch als sie das Ohr fest an seine Brust presste, vernahm sie durch das Tosen der Wellen hindurch das leise, langsame Schlagen seines Herzens.
    „Thore!“
    Er regte sich nicht, sein Geist schien weit fort zu sein, vielleicht berührte er bereits den Rand des Nebellandes.
    „Thore! Hörst du mich! Thore!“
    Gischt sprühte auf und hüllte sie ein, doch inmitten des Nebels spürte sie, dass seine Brust sich hob und senkte. Sie suchte seine Lippen, um ihm Leben einzuhauchen und fühlte seinen warmen Atem.
    „Thore! Wach auf. So wach doch endlich auf!“
    Sie schmiegte sich dicht an seinen Körper und breitete ihr nasses Gewand über ihn aus, strich zärtlich über seine Stirn, seine Schläfen und küsste seinen Mund. Dann, endlich, spürte sie, dass seine Lippen zitterten. Er versuchte, Worte zu formen.
    „Ro…de... na.“ Es klang seltsam heiser, fast tonlos.
    „Ich bin bei dir, Thore“, murmelte sie in sein Ohr. „Ich gehe mit dir, wohin immer du gehen willst. Spürst du mich?“
    Er bewegte einen Arm, es schien ihn unendliche Mühe zu kosten, Rodenas Rücken zu berühren. Seine Hand war kalt und lastete wie ein Stein auf ihrem Nacken, doch sie fühlte, dass seine Finger den Weg unter ihr Gewand suchten, um ihre Körperwärme zu spüren.
    „Nach Wal...hall“, flüsterte er. „Die … Rösser ... fliegen im ... Wind. Halte dich ... an mir ... fest.“
    Was redete er da nur? Walhall? Fliegende Rösser?
    „Wir liegen auf einem Felsen, Thore“, berichtigte sie ihn. „Wenn die Flut vorüber ist, werde ich dich hinuntertragen. Keine Sorge, ich schaffe das. Du wirst wieder gesund werden ...“
    Jetzt sah sie, dass seine Lider sich ein winziges Stück hoben, und seine Augen erfassten sie.
    „Rodena!“, murmelte er. „Du gehst mit mir … Ich lasse dich nicht zurück … Nehme dich mit … nach Walhall …“
    Es musste der Name seines Heimatortes in Norwegen sein. Sie war sich nicht sicher, ob er begriffen hatte, wo er sich befand und was geschehen war, aber immerhin spürte sie jetzt auch seinen zweiten Arm in ihrem Rücken, und sein Atem ging kräftig und regelmäßig.
    „Ja, nach Walhall“, sagte sie und schlang die Arme um seine Brust. „Halte durch, wir sind bald dort. Ich werde deine Frau sein und dein Haus auf den Kopf stellen, wie Frauen es tun. Ich werde deinen alten Plunder hinauswerfen, und du wirst mir neue Bänke und Truhen zimmern müssen. Und ich werde für dich kochen, so wie es in meiner Heimat üblich ist. Frösche und Krebse, Schnecken und Wurzeln und vielleicht ein wenig Krötensud mit Maulwurfshaar ...“
    Er bewegte den Kopf, als wolle er widersprechen, doch die Wunde veranlasste ihn, schmerzlich das Gesicht zu verziehen.
    „Sag jetzt nichts mehr“, flüsterte sie zärtlich. „Du musst dich ausruhen. Bleib ganz still liegen, ich wärme dich und erzähle dir dumme Geschichten, damit du bei mir bleibst und nicht etwa davonreitest ...“
    Sie ließ nicht locker, rieb energisch über alle Stellen seines Körpers, die sie erreichen konnte, murmelte leise die alten Zaubersprüche der Druiden und flüsterte ihm dann wieder unsinniges Zeug in die Ohren, um ihn bei Bewusstsein zu halten. Hin und wieder gab er eine Antwort, doch meist redete er wunderliche Dinge, mit denen sie wenig anfangen konnte. Langsam, unendlich langsam verloren die Wellen ihre Kraft, das Meer zog sich zurück und gab den Strand schließlich wieder frei.
    ***
    Er war also auf dem Weg nach Walhall, so wie er es sich gewünscht hatte. Er war im Kampf gefallen, hatte eine tödliche Wunde empfangen, nicht im Rücken, wie ein Feigling, der vor dem Tod flieht, sondern vorn an seiner Brust, dicht am Hals. Er hatte gespürt, wie das Leben aus ihm herausgesickert war und seine Kraft dahinschwand – nun trug ihn die Walküre zu der Stätte, an der alle mutigen Krieger sich versammelten, nach Walhall. Dort würde Odin selbst mit ihnen allmorgendlich zu blutigen Schlachten ausziehen und sie alle am Abend mit Met und dem Fleisch des göttlichen Ebers bewirten. Eines fernen Tages würde dann der letzte, der endgültige Kampf anbrechen, in dem auch die Götter starben und die Erde kahl und öde zurückblieb.
    Schwertzeit, Beilzeit, Schilde bersten
    Windzeit, Wolfzeit, bis die Welt vergeht ...
    Aber weshalb ausgerechnet jetzt? Konnten die Walküren nicht ein wenig Rücksicht darauf nehmen, dass er eine Frau begehrte und

Weitere Kostenlose Bücher