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In den Fesseln des Wikingers

In den Fesseln des Wikingers

Titel: In den Fesseln des Wikingers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan McFadden
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die Finsternis gewöhnt sein. Kerzen, wo sollte sie wohl Kerzen hernehmen? Besorgt stellte sie fest, dass er offensichtlich glaubte, daheim in Norwegen zu sein, denn jetzt redete er davon, dass sie den Feuerstahl auf einem Brett gleich neben dem Eingang finden würde.
    „Jetzt krieche erstmal in die Höhle, ich zünde gleich ein Licht an!“
    Sie trug Stahl und Feuerstein in einem Beutel an ihrem Gürtel und suchte sich nun dürre Gräser und Laub. Es brauchte einige Versuche, bis es ihr gelang, einen Funken zu schlagen und ihn zu nähren, doch dann entzündete sie ein Feuer in der Höhle, das sie rasch mit einigen trockenen Ästen versorgte. Sie hatte Glück, denn der Rauch zog in den Hintergrund der Grotte, also gab es dort irgendwo einen Öffnung im Fels.
    Erst als das Feuer den dunklen Raum erleuchtete, war Thore bereit, durch den schmalen Eingang in die Höhle zu kriechen. Er glühte jetzt am ganzen Körper, und seine Stirn war schweißbedeckt, zugleich aber schüttelten ihn heftige Fieberschauer, und sie hörte das Laub rascheln, auf dem er sich niedergelegt hatte.
    Sie gab ihm Wasser zu trinken, wickelte den Verband ab und sah nach der Wunde, die nun nicht mehr blutete, aber ziemlich tief zu sein schien. Draußen war es inzwischen dunkel – dennoch kroch sie aus der Höhle in der Hoffnung, wenigstens ein paar Kräuter zu finden. Die Ausbeute war erstaunlich, denn im schwachen Mondschein fand sie gleich neben dem Eingang der Höhle Salbei, Beifuß und Kamille, nicht weit entfernt einen Haselstrauch, in dem noch ein paar dunkelgrüne Blätter hingen, und darunter einige kräftige Wegerichpflanzen. Hatte ihre Göttin trotz allem für sie gesorgt? Auch Moos, das man auf offene Wunden legte, um sie zu heilen, fand sich nur wenige Schritte vom Haselstrauch entfernt unter dem Herbstlaub.
    „Wenn ich jetzt noch einen Topf hätte, könnte ich einen Sud kochen“, murmelte sie
    Sie musste mit einem ausgehöhlten Stein Vorlieb nehmen und gleichzeitig dafür sorgen, dass der Kranke keinen Unsinn machte.
    Das Fieber war in der kurzen Zeit sehr hoch gestiegen, und Thore hatte zu phantasieren begonnen. Es hielt ihn nicht mehr auf seinem Laubbett, er setzte sich auf, stieg sogar vom Lager und torkelte im Raum umher. Verzweifelt versuchte sie, ihn aufzuhalten, denn in seinem Wahn wäre er fast in die Feuerstelle gelaufen.
    „Sigurd!“, krächzte er. „Behalte deine hässliche Schwester – ich will sie nicht!“
    „Leg dich wieder hin, Thore! Sigurd ist nicht hier und seine Schwester auch nicht.“
    „Wehr dich, Verräter! Mann gegen Mann! Mein Schwert – wo ist mein Schwert ...“
    Er schlug so kraftvoll um sich, dass sie sich vor ihm in Acht nehmen musste, denn er erkannte sie nicht. Sie hörte ihn fluchen und seine Götter anrufen, er tobte, weil er seine Waffen vermisste, und die Wucht seiner Faustschläge riss ihn selbst zu Boden.
    „Verräter!“, keuchte er. „Feiglinge. Zehn Mann und noch mehr gegen einen einzelnen ...“
    Sie konnte nichts tun, als ihn toben zu lassen, denn sie hatte nicht die Kraft, den Rasenden zu bändigen. Bekümmert hockte sie in einer Ecke und sah seinem wilden Tun zu, sprang nur hin und wieder auf, um wenigstens zu verhindern, dass er sich am Feuer oder an den harten Felswänden verletzte. Aus den abgerissenen Worten und Sätzen, die er hervorstieß, reimte sie sich den Verlauf des Kampfes zusammen: Sigurds Leute mussten scharenweise herbeigestürzt sein, und man hatte Thore niedergerungen, noch bevor seine Anhänger ihm hatten helfen können.
    Als sie den vollkommen Erschöpften später wieder auf sein Lager schleppte, besah sie sorgenvoll seine Wunden, er hatte wieder Blut verloren und sich in seiner Raserei neue Schrammen zugefügt.
    Sie riss weitere Stoffstreifen aus ihrem Gewand und tränkte sie mit dem Kräutersud, bevor sie Thores Wunde damit verband. Er lag bewegungslos auf dem Rücken, heftiger als zuvor wütete das Fieber in seinem Körper, und er murmelte ohne Unterlass vor sich hin.
    Sie verstand nicht alles, doch in ihm schienen nun Ereignisse aufzusteigen, die lange zurücklagen. Er sprach von seinem Freund, dem Bruder der untreuen Braut Estrith, den er im Zweikampf besiegt und getötet hatte, weil die Ehre der Sippe und seine eigene dies verlangten. Er redete von der Totenfeier, die er heimlich aus der Ferne beobachtet hatte, von seiner Reue und Verzweiflung, von der Dunkelheit, in der er seit jenem Unglückstag den toten Freund zu sehen glaubte, der keine Ruhe im Grab

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