In den Haenden des Eroberers
Freund. Du warst mir in der Tat eine unentbehrliche Hilfe. Aber diese Angelegenheit geht nur mich und Lady Fayth etwas an.“ Noch während er den Satz aussprach, erkannte Giles, wie falsch er lag.
„Du hast es immer noch nicht begriffen, oder?“, schnaubte Brice sarkastisch.
Wie aufs Stichwort trat in diesem Augenblick der Gegenstand ihres Streits in den Hof und schritt in ihre Richtung. Hier und da hielt Fayth an, um mit einem der Arbeiter zu sprechen. Wie um Brice zu bestätigen, sah jeder der Leute im Hof erst zu Fayth, um dann Giles aus den Augenwinkeln einen schiefen Blick zuzuwerfen und wieder Fayth anzusehen. Es schien, als dächten alle, sie sei geschlagen oder misshandelt worden – und zwar durch ihn, Giles. Er warf seinem Freund einen ergebenen Blick zu.
Aufmunternd schlug Brice ihm auf den Rücken. „In den Augen dieser Menschen ist Lady Fayth ein unschuldiges Wesen. Sie ist eine von ihnen, weil sie unter ihnen aufgewachsen ist. Zudem ist sie die einzige Person, die schützend zwischen diesen Leuten und dem neuen Lord steht, einem eroberungswütigen Normannen.“
„Einem eroberungswütigen Bretonen“, verbesserte Giles.
„Das ist den Leuten gleich. Lady Fayth ist eine der ihren, und du hast sie in eurer Hochzeitsnacht zurückgewiesen“, warf Brice ein.
„Ich habe sie nicht zurückgewiesen, ich …“, setzte Giles zu einer Erklärung an, aber Brice unterbrach ihn.
„Du hast die Ehe nicht vollzogen, und die Leute wissen es, Giles. Aber du hast ihnen Zuversicht gegeben, als du sie neulich vor dem vermeintlichen Angriff hast schützen wollen, und erneut, als du Lady Fayth um ihre Unterstützung gebeten hast. Das hat den Menschen den Glauben gegeben, es mit dir aushalten zu können. Heute früh aber sehen sie plötzlich, dass etwas Schlimmes zwischen euch beiden vorgefallen ist, und natürlich schlagen sie sich auf die Seite von Lady Fayth.“
Von dieser Warte betrachtet, hatte Brice recht, wie Giles zugeben musste. „Es wird höchstens noch eine Woche dauern, bis ich die Wahrheit weiß“, sagte er. „Entweder sie blutet, oder …“
„Still, sie kommt.“ Brice sah Fayth entgegen. „Hast du ihr eigentlich schon gesagt, dass du fortgehst?“, raunte er Giles zu.
„Noch nicht. Zwar würde ich sie nur allzu gerne glücklich sehen, aber ich verspüre wenig Verlangen danach, aus eben diesem Grund Freude in ihren Augen zu sehen“, erwiderte Giles säuerlich.
Brice lachte laut auf, sodass einige die Köpfe wandten.
„Du wirst noch früh genug selbst herausfinden, wie schwer es ist, von einem dahergelaufenen Ritterbastard zum Lord zu werden“, sagte Giles. „Oh, wie gern wäre ich dabei, wenn du mit denselben Problemen zu ringen hast.“
„Ich gedenke, aus deinen Fehlern zu lernen, mein Freund, und es besser zu machen.“ Brice grinste und wandte sich dann Lady Fayth zu. „Sucht Ihr mich oder Euren Gemahl, Mylady?“
Fayth sah Brice nicht in die Augen. „Habt Ihr Lord Giles bereits meine Bitte vorgetragen, ins Dorf gehen zu dürfen, Sir?“
„Was wollt Ihr im Dorf, Mylady?“, warf Giles ein. „Und warum fragt Ihr mich nicht selbst?“
Der Schleier bedeckte ihr Haar, umrahmte streng ihr Gesicht, umschloss ihren Hals und verbarg auf diese Weise alles, was Giles so sehr an seiner Frau gefiel. Die angelsächsische Mode, ging ihm auf, verhüllte die Frauen von Kopf bis Fuß, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, ob die Trägerin eines Kleides eine stämmige Figur wie Emma oder eine schlanke, zarte wie Fayth hatte. Vielleicht konnte er Simons Frau dazu bringen, ihm einige Kleider für die Lady von Taerford zu schicken. Der körperbetonte normannische Stil war mehr nach Giles’ Geschmack.
Er blickte wieder auf den Schleier herab, der alles war, was er von Fayth sah, solange sie den Kopf gesenkt hielt. Als sie aufschaute, bemerkte er die dunklen Ringe unter ihren Augen, die durch das Weiß des Tuches noch betont wurden. Zumindest wird sie während meiner Abwesenheit mehr Schlaf finden, dachte er.
„Ich – wir, Mylord, haben den Bestand aller Vorräte und Lebensmittel auf der Burg aufgenommen, aber mein Vater hat einen Großteil der Erträge an Wolle und Tuch im Dorf gelagert. Also muss ich dorthin, um …“
Giles sah sie an, während sie sprach, aber anstatt ihr zuzuhören, sah er die Fayth der vergangenen Nacht vor sich, die sich unter seinen Händen vor Lust gewunden hatte. Er wollte, dass die heiße Röte der Begierde erneut ihre Wangen färbte. Er wollte, dass ihre Augen
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