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In den Klauen des Bösen

In den Klauen des Bösen

Titel: In den Klauen des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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Vampire, und wenn sie dich kriegen, saugen sie dein Blut aus!«
    »Bobby!« rief die Mutter. »Was für eine schreckliche Geschichte! Das hat Jody dir bestimmt nicht erzählt.«
    »Hat Jody aber doch!« trumpfte Bobby auf, mit Blick auf Michael. »Hat Jody recht?«
    Michael spürte Kellys Blick. Sie war bleich geworden. Er wusste zum erstenmal keine Antwort. Sein Mund war wie ausgetrocknet, als er sprechen wollte.
    Nun sag etwas! ermahnte er sich. Irgend etwas. Sag ihnen: Das ist bloß ein Märchen!
    Es war aber im Grunde kein Märchen. Die Sache verhielt sich zwar nicht so, wie Bobby sich das vorstellte, trotzdem...
    Und als sie ganz langsam durch einen Bayou fuhren, der kaum breit genug war für das Boot, hielt eine Frau hörbar entsetzt den Atem an.
    Gleich darauf folgte ein zweiter Laut des Erschreckens. Kinder begannen zu schreien und nach vorn zu deuten.
    Michael drehte sich um.
    Vom Ufer aus, nur wenige Meter entfernt, beobachtete sie ein Mann.
    Ein alter Mann.
    Ein Mann, dessen Augen, kaum mehr sichtbar, in ihren Höhlen versunken waren, aber irgendwie bösartig wirkten.
    Kelly hatte sich gleichzeitig umgedreht. Sie griff nach Michaels Arm. Er sah das Entsetzten in ihrem aschfahlen Gesicht, wusste jedoch ohnehin, wer der Mann war. Er hatte ihn sofort wiedererkannt.
    Die gräßlich gierigen Augen.
    Den bösen Blick, der ihm häufig gedroht hatte.
    Die Augen des Gesichts im Spiegel.
    Das Boot glitt langsam an dieser scheußlichen Gestalt vorbei. Michael vermochte noch immer nicht zu sprechen, konnte sich angesichts des Alptraums, der Realität geworden war, nicht vom Fleck rühren.
    Die Frauen und Kinder im Boot, die Carl Anderson am nächsten standen, wichen zurück. Als ob sie Michaels Entsetzen spürten.
    Das Boot begann sich eben von ihm zu entfernen, als Carl Anderson zupackte, mit Fingern wie den Krallen eines Raubvogels, und sich das Baby im Tragkorb auf dem Sitz im Heck schnappte.
    Es geschah so rasch, dass Michael sich nicht einmal sicher war, dass es überhaupt geschehen war.
    Der Alte war wie verschluckt vom dschungelartigen Laubdickicht. Michael dachte schon, die böse Erscheinung sei wieder einmal nur ein Trugbild der eigenen Fantasie gewesen.
    Von der Illusion befreite ihn jedoch das Schreien der Mutter.
    Sie stand im Bootsheck, und die anderen Frauen mussten sie zurückhalten, damit sie dem Alten nicht hinterherstürzte.
    »Mein Baby!« schrie die Mutter. »Er hat mir mein Baby gestohlen!«
    »Bleiben Sie im Boot!« schrie Michael in einer spontanen Reaktion die Frau an. Er schaltete den Motor aus und instruierte Kelly. »Halt sie hier im Boot! Mach, was du willst, aber laß sie nicht heraus! Sonst sind alle verloren!«
    Und ohne Kellys Antwort abzuwarten, sprang er über das Dollbord hinweg ins seichte Wasser und watete ans Ufer.
    »Michael!« rief Kelly. »Michael! Nein!«
    Aber da war es schon zu spät.
    Nun verschwand auch Michael im Sumpf.
     
    Ein stechender Schmerz in der Brust zwang Carl Anderson stehenzubleiben. Er bekam keine Luft. Ihm versagten die Beine. Er ließ sich zu Boden sinken und lehnte sich an den Stamm einer Fichte, die von so dichtem Buschwerk umwachsen war, dass er sich, vor dem Blick eventueller Verfolger geschützt, ausruhen konnte.
    Er hielt das Baby fest und wartete auf das Nachlassen des Schmerzes und eine Normalisierung des Atmens. Doch er war völlig erschöpft. Er wusste nicht, wie lange er noch durchhalten würde.
    Er musste aber durchhalten, denn sonst würde er sterben.
    Diesmal wirkte die Spritze nicht, die ihn eigentlich hätte verjüngen sollen; die Dosis war nicht stark genug gewesen. Frühmorgens hatte er sich eine zeitlang besser gefühlt und angenommen, dass er bis zum Nachmittag wieder in alter Frische seinen Mann stehen würde. In der Hoffnung, so lange unterzutauchen, bis die lebenserneuernden Kräfte der Injektion sich voll ausgewirkt hätten, war er ins Moor entwichen; bald aber hatte die zunehmende Schwächung des Alters ihn erneut angegriffen.
    Das Wissen um die Notwendigkeit, ein Kind auftreiben zu müssen, hatte ihn in Panik versetzt.
    Er müsste es noch an diesem Tage finden, am besten sofort.
    Morgen wäre es schon zu spät.
    Aber wo finden?
    Wenn Ted nicht die Wagenschlüssel an sich genommen hätte, wäre er nach Orlando zu einem Einkaufszentrum gefahren, wo es stets Kinder unachtsamer Mütter gab. In Einkaufszentren verschwanden täglich Kinder. Er hätte vielleicht sogar in Villejeune bei Warren Phillips zurück sein können, bevor die

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