In den Klauen des Bösen
zu.
Ted und seine Helfer würden ihn nicht finden, überlegte Carl. Bis zu ihrem Eintreffen wäre er längst weit fort.
Am Kanal ließ er sich die Böschung hinuntergleiten, ins Wasser hinein, bis seine Füße Boden fanden. Dann watete er zum anderen Ufer. Als ihm das Wasser bis an die Hüften reichte, zog er den Revolver aus dem Gürtel. Schließlich kroch er an der gegenüberliegenden Böschung hoch.
Er würde finden, was Phillips brauchte - irgendwo im Moor würde er schon ein Kind finden.
Denn ansonsten müsste er sterben. Carl Anderson hatte jedoch keineswegs die Absicht, zu sterben.
24
Es war ein heißer Morgen, und Kelly hatte kurz überlegt, ob sie bis zum Nachmittag, bis zu seinem Arbeitsschluss warten sollte, um mit Michael zu reden. Doch das Leichengesicht ihres Großvaters ließ sie nicht los, und deshalb ging sie gleich nach dem Frühstück zu Stubbs’ Touristenzentrum. Im Dorf hatte Buddy Hawkins mit ein paar Freunden vor Arlettes Cafe gesessen und sie beobachtet, doch Kelly beachtete die Jungen nicht einmal, als sie sie tuscheln zu hören meinte. Sie widerstand auch der Versuchung, auf die andere Straßenseite zu wechseln. Sie ging einfach wortlos an ihnen vorbei.
Als hinter dem Dorf auf der Straße durch das Marschland die Sonne auf sie herniederknallte und die Feuchtigkeit sie wie ein stickiges Grabtuch umfing, hätte Kelly sich am liebsten in die klimatisierten Räume des großväterlichen Hauses gewünscht. Aber endlich erreichte sie die offenen Tore des Moor-Besichtigungszentrums. Einen Moment lang blieb sie in der wohltuenden, relativen Kühle im Schatten von Fichten und Zypressen stehen. Sie sah sich suchend nach Michael um und entdeckte ihn inmitten von Touristen an dem Gehege der Alligatoren. Sie wollte sich anschließen.
Michael warf ein totes Huhn in die Einzäunung. Die bereits aufmerksam gewordenen Alligatoren stürzten dem Huhn entgegen; einer fing es, bevor es zu Boden fiel und zermalmte es mit seinen großen Kiefern zu einer formlosen Masse. Kelly fröstelte bei dem Gedanken an den Alligator im Moor, der sie fast getötet hätte. Sie drehte sich weg, als Michael den wartenden Reptilien zwei weitere Hühner zuwarf.
»Warum hast du nicht angerufen?« fragte Michael, als er sie vor dem Biberratten-Gehege entdeckte. »Ich hätte dich mit dem Motorrad abgeholt.«
Kelly sah sich heimlich um, ob jemand in der Nähe war, bevor sie kaum hörbar antwortete. »Es betrifft Großvater«, sagte sie bebend. »Er... Michael, er ist einer von denen!«
Michael war erschüttert. »Bist du dir ganz sicher?«
Kelly nickte. »Ich lag die ganze Nacht über wach. Er hat immer wieder bei Dr. Phillips angerufen. In aller Frühe ist er dann fortgefahren...« Ihr wurde ganz schwach; sie musste sich stützen. »Ich habe ihn gesehen, Michael. Er ist alt. Ich meine, wirklich alt - wie vor dem Sterben.« Sie erschauerte. »Er... er sah genauso aus wie der Mann, den wir im Spiegel sehen«, schloss sie.
»Weiß er, dass du ihn beobachtet hast?« fragte Michael.
Kelly schüttelte den Kopf. »Und Mum und Dad habe ich es auch nicht mitgeteilt.« Sie sah Michael unsicher an. »Was sollen wir nur machen?«
Bevor Michael antworten konnte, trat Phil Stubbs aus dem Büro. Seine Stimme drang laut über die Lichtung. »Michael?« rief er und kam eilig zu den beiden herüber. »Bobby Carter hat sich soeben krank gemeldet. Du musst eine Tour für ihn übernehmen.«
Michael fiel das Kinn herunter. »Ich? Aber das habe ich doch noch nie gemacht.«
Stubbs zuckte mit den Schultern. »Du kennst das Moor. Du brauchst die Leute nur ein paar Stunden herumfahren und ihnen erzählen, was es im Moor alles gibt.« Er lächelte breit. »Warum nimmst du deine Freundin nicht mit? Aber gib acht!« warnte er. »Dass du mir nicht wieder das Zeitbewusstsein verlierst und die Leute den ganzen Tag festhältst. Die Moorbesichtigung dauert nur zwei Stunden! Kapiert?«
Michael nickte und lief mit Kelly zur Anlegestelle. Zwei Boote waren bereits unterwegs; angetaut war ein langes, schmales Boot mit zwei Bänken, Rücken an Rücken, in der Mitte und dem Sitz für Steuermann und Mikrofonanlage im Vorderteil. Michael ließ den Blick über die wartende Gruppe von Touristen schweifen - sie bestand aus rund fünfzehn Frauen in den Zwanzigern und frühen Dreißigern mit einer Bande von Kindern vom Baby in der Tragetasche bis zu Zehnjährigen.
»Jessas!« flüsterte er. »Wird das eine Fahrt werden!« Er konnte sich die endlosen Fragen
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