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In den Klauen des Bösen

In den Klauen des Bösen

Titel: In den Klauen des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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Seit fast einer Stunde unterhielten sie sich. Tim hatte die Hoffnung fast verloren. Jonas Cox hielt stur daran fest, nicht zu wissen, was mit dem Menschen geschehen war, dessen Leiche vor zwei Nächten aus dem Moor gefischt worden war.
    Tim versuchte eine neue Taktik. »Hast du George Coulton gern gehabt, Jonas?«
    Jonas’ Miene zeigte keinerlei Reaktion. »Hab’ ihn kaum gekannt«, sagte er. »Un’ dann - ich hab’ gehört, der Mann im Moor war’n alter Mann. George war nich’ viel älter als ich.«
    »Ich denke, du hast ihn kaum gekannt?« erinnerte ihn Kitteridge.
    »Ich weiß, wer er is’«, knurrte Jonas. »Warum sollt’ ich nich’? ‘s leben nich’ so viel’ Leute im Moor.«
    Kitteridge beschloss, es mit einem Schuss ins Blaue zu versuchen. »Aber ihr beiden wart doch gewissermaßen Brüder, nicht wahr. Amelie Coulton sagt, ihr seid beide Kinder vom Schwarzen Mann.«
    Jonas’ Augen wurden schmal; er kräuselte verächtlich die Lippen. »Ich weiß ja nich’ mal, wer meine Eltern sin’.«
    Kitteridge verlor die Geduld. »Mach keine Witze, Jonas. Du wirst doch wohl deine Eltern kennen!«
    Jonas schüttelte den Kopf, »‘n Haufen Kinder im Moor wissen nich’, wer ihre Eltern sin’.«
    »Mach keine Witze, Jonas...«, wiederholte Tim, doch Judd Duval unterbrach ihn.
    »Das stimmt, Chef. Da draußen gibt’s jede Menge Kinder, die von fremden Leuten aufgezogen werden. Viele Frau’n sterben im Wochenbett, weil sie für die Geburt nich’ zum Arzt in die Stadt kommen wollen. Ihre Babys werden von andern Leuten übernommen. Allmählich weiß keiner mehr genau, wo er eigentlich herkommt.«
    Tim schüttelte den Kopf. Es schien ihm unvorstellbar, dass Menschen am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts so leben sollten. Und doch - er hatte die im Moor verstreuten Hütten gesehen, die Existenzweise beobachtet. Es war ein Wunder, dass diese Menschen überlebten. Plötzlich kam ihm ein Gedanke.
    »Hat Amelie diese Kinder gemeint, als sie von den Kindern des Schwarzen Manns sprach? Ist er’s, der bestimmt, wer die Kinder bekommt?«
    Kitteridge sprach mit Judd Duval, hielt den Blick aber auf Jonas gerichtet. Ihm war, als ob sich der Junge bei der Erwähnung des Schwarzen Mannes verkrampfte.
    »So ist’s doch, nicht wahr?« fragte er. »Das sind die Kinder, von denen Amelie gesprochen hat. >Die Kinder vom Schwarzen Mann< - ihre Worte. Und sie hat auch behauptet, dass du zu ihnen gehörst.«
    Jonas’ Miene blieb undurchschaubar. »Ich weiß nich’, wovon Sie reden.«
    Tim beugte sich vor. »Das weißt du sehr wohl.« Er durchbohrte den Jungen mit seinem Blick. »Du weißt ganz genau, worum es geht.«
    »Nein«, flüsterte Jonas, und sah unruhig Judd Duval an, als ob er Hilfe suchte.
    Aber Tim ließ ihm keine Ruhe. »So ist es doch, Jonas, nicht wahr,« setzte er nach. Er senkte die Stimme. »Amelie hat mir von George und von dir erzählt. Sie hat behauptet, du wärst tot. Nicht nur George. Du auch.«
    Jonas riß die Augen auf. »Nein«, flüsterte er, doch nun zitterte ihm die Stimme.
    »Und du bist tot, nicht wahr, Jonas? Du hast keine Mama, und du hast keinen Papa. Du hast nie Eltern gehabt. Das sagt dir der Schwarze Mann, nicht wahr? Dass du tot bist, weil du keine Familie hast?«
    Jonas hatte den Blick einer in die Enge getriebenen Ratte. »Wer hat Ihnen das erzählt?« stieß er hervor.
    Tim ging auf die Frage nicht ein. »So ist’s doch, Jonas, nicht wahr? Nicht nur George Coulton - auch du! Du bist tot!«
    Jonas wich zurück. Tim wusste, dass er da einen Nerv getroffen hatte. Aber die ganze Sache kam ihm wahnsinnig vor. Jonas war keineswegs tot - er saß ja vor ihm. Sollte sich draußen im Moor etwas Böses abspielen? Sollte jemand, der sich als Schwarzer Mann ausgab, aus irgendeinem Grund einer Gruppe von Kindern einreden, sie seien tot?
    Aber warum sollte er das tun?
    Und was war mit den übrigen Menschen? Den Erwachsenen? Könnten sie tatsächlich so abergläubisch sein und solchen Unfug glauben?
    Aber dann fielen ihm die Voodoo-Kulte an den Sumpfflüssen in Louisiana ein und die Zombie-Kulte in der Karibik. Dort lebten immer noch Menschen, die daran glaubten - warum dann nicht auch in den Sümpfen außerhalb von Villejeune?
    Das Problem George Coulton war damit allerdings noch nicht gelöst.
    Kitteridge glaubte nicht, dass Coulton von Jonas getötet worden war - verdammt: Besaß er überhaupt einen Beweis, dass die Leiche im Friedhof Coulton war? Und angenommen, der Tote ließe sich einwandfrei

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