In den Klauen des Bösen
aus dem Wagen gesprungen, bevor er zum Stillstand kam, und zur Notfallstation gerannt, vor deren Eingang das Polizei-Auto von Judd Duval stand.
Drinnen suchte Barbara verzweifelt nach einer Schwester, sah aber nur Judd, der ganz allein auf einem Stuhl saß und Notizen machte. Seine Augen weiteten sich vor Erstaunen, als er Barbara bemerkte. Er stand auf.
»Miz Sheffield...«
»Wo ist sie?« rief Barbara. »Wo ist Jenny? Wo hat man sie hingebracht?«
Judd kam näher. »Miz Sheffield, Sie sollt’n sich besser setz’n.« Er wollte sie zu einem Stuhl führen, doch Barbara riß sich los, als sie Jolene Mayhew aus den hinteren Behandlungsräumen treten sah und Michael, mit Mary auf den Fersen, durch den Eingang gelaufen kam.
»Jolene?« fragte Barbara. »Wo ist...« sie schwieg, als ihr angesichts der Miene der Schwester die letzte Hoffnung schwand. »Nein«, schluchzte sie. »Bitte... nicht meine kleine Jenny. Nicht mein Baby...«
Michael blieb in der Tür stehen. Jolene lief im Flur auf sie zu. »Es tut mir so leid, Barbara. Dr. P. ist drinnen bei ihr, aber...«
»Nein«, schluchzte Barbara laut. »Sie darf nicht tot sein. Nicht Jenny! Ich muss zu ihr.« Jolene versuchte sie zurückzuhalten, dann auch Michael, den Mary aber daran hinderte.
»Laß sie gehen, Michael!« sagte sie. Er schien sie gar nicht zu hören und nickte erst, als seine Mutter bereits hinter den Türen verschwunden war. Mary begleitete ihn zu einem Stuhl. Er sank in sich zusammen. Dann sah er sich Judd Duval gegenüber.
»Meine Schwester!« flüsterte er. »Jenny... Ist sie...?«
Judds Kopf hob und senkte sich ganz langsam wieder. »Sie lag im Kanal«, sagte er. »Ganz in der Näh’. Ich mach’ mich grad auf den Weg, will zur Arbeit, da...«
Aber Michael hörte ihm nicht mehr zu. Irgend etwas war mit Judd nicht in Ordnung, an seinem Blick stimmte doch etwas nicht!
Michael war überzeugt, dass der Deputy log.
Als Barbara eintrat, stand Warren Phillips über Jenny gebeugt; er hielt ihr das Stethoskop an die Brust. Jenny lag so still; ihre Haut war so schrecklich bleich.
»Nein!« schluchzte Barbara auf. Sie stürzte zum Tisch. »O nein...« Sie streckte die Hand aus und zog sie spontan zurück, als sie die Kälte von Jennys Körper spürte.
»Barbara«, sagte Warren Phillips und kam um den Tisch herum, um der unglücklichen Frau zu einem Stuhl zu helfen, »es tut mir leid, Barbara. Wir haben alles versucht. Da war nichts mehr zu machen. Als Judd sie fand, muss sie bereits eine Stunde lang im Wasser gelegen haben.«
Barbara hörte die Worte, weigerte sich jedoch, ihnen zu glauben. Sie saß reglos da, die Augen fest auf ihre Tochter gerichtet. Als sie sprach, war ihre Stimme kaum hörbar. »Aber das ist unmöglich - sie kann gar nicht tot sein. Nicht Jenny. Sie lag im Bett - ich habe sie doch selbst zu Bett gebracht.« Sie ließ ihren Blick langsam von Jenny zu Warren Phillips wandern. »Sie schläft. Sie ist nicht tot. Sie schläft bloß.«
Phillips legte Barbara die Hand auf die Schulter. »Wo ist Craig, Barbara? Ist er daheim?«
Barbara drehte den Kopf langsam zur Seite. »Er... er sucht nach ihr«, sagte sie mit hohler Stimme. »Im Moor.« Es war unfassbar - sie konnte doch nicht hier sitzen und auf Jenny starren, während Craig in grauer Morgendämmerung draußen im Moor Jenny zu finden hoffte. Aber so war es.
Sie stand auf. Es bedurfte ihrer ganzen Willenskraft. Sie trat neben Jenny und streichelte ihr sanft über die Stirn. Dann beugte sie sich vor und berührte liebkosend ihre Lippen. Sie konnte die Augen einfach nicht von Jennys ausdruckslosem Gesicht lösen. Müde sank sie wieder auf den Stuhl. »Darf ich bleiben?« fragte sie. »Darf ich neben ihr sitzen, bis Craig kommt?«
»Selbstverständlich«, erwiderte Dr. Phillips. »Und ich werde Ihnen etwas...«
»Bitte - nein. Lassen Sie mich - ich werde es schon durchstehen. Bestimmt...« Phillips verließ den Raum. Barbara liefen Tränen über die Wangen.
Craig Sheffield traf eine halbe Stunde danach in Begleitung von Ted, Carl und Kelly Andersen ein, die bei Mary im Warteraum blieben. Craig sprach mit Jolene Mayhew und begab sich daraufhin in das Zimmer, wo Barbara noch immer neben Jenny saß. Er verharrte, um das Unfassliche zu fassen. Er hörte Barbara mit gebrochener Stimme unentwegt murmeln: »Meine Schuld! Es ist nur meine Schuld!«
»Nein«, widersprach Craig. Er ließ sich neben ihr auf die Knie und nahm sie in die Arme. »Das darfst du nicht sagen, Liebling. Es war
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