In den Klauen des Löwen
tun, Miß Kraemer.«
»Sie könnten mit Fallschirmjägern die Sanders befreien.« Ingeborg Kraemer zitterte vor Erregung. »Sie könnten das gleiche tun wie damals die Belgier im Kongo. Auch da wurden durch die Fallschirmjäger Hunderte von Weißen gerettet.«
»Die Situation war anders.« McCallen sah dem Pfeifenrauch nach. »Die Sanders befinden sich in der Mitte von über zweitausend gut bewaffneten Bantus. Was nützt da eine Kompanie aus der Luft? Man würde sie an den Fallschirmen abknallen, bevor sie überhaupt zur Erde kommen. Im Kongo war die Landung ein Schock. Als die Weißen vom Himmel fielen, liefen die Simbas weg. Ihnen fehlte die straffe Führung. Aber die Bwambas haben sie, Miß Kraemer. Erst Budumba, jetzt Malanga. Beide haben den Bantus die Angst vor dem Sterben genommen. Wissen Sie, was das bedeutet? Wenn wir das Lager stürmen, verliere ich eine ganze Kompanie … um vier Tote zu erobern.«
»Tote?« Ingeborg Kraemer faßte sich ans Herz. Sie taumelte im Sitzen. »Oberst …« Ihre Stimme brach in einem Schluchzen. McCallen schob die Unterlippe vor. Es hatte keinen Sinn, drumherum zu reden.
»Glauben Sie wirklich, daß sie noch leben?« Seine Stimme war plötzlich väterlich und mitfühlend. »Spätestens beim ersten Fallschirm leben sie nicht mehr. Ich kenne die Grausamkeiten Afrikas, ich lebe seit über dreißig Jahren hier … Es ist furchtbar, so hilflos zu sein. Ich weiß es.«
Wie eine Schlafwandlerin verließ Ingeborg Kraemer das Zimmer McCallens. Ihre Augen waren weit und leblos.
Ich sehe Robert nie wieder. Ich sehe ihn nie wieder. Nie … nie … dachte sie. Und die Welt wird sich weiterdrehen ohne ihn. Was ist schon ein einzelner Mensch wert …
Vor der Tür McCallens fiel sie ohnmächtig zusammen.
Zwei Tage lebten Corinna Sander und ihre Geschwister in völliger Ungewißheit. Ob Thorwaldsen getötet worden war, ob Malanga wirklich das Furchtbare wahrgemacht hatte und ihm die Haut abgezogen hatte, was nun mit ihnen selbst geschehen sollte … es war ein bedrückendes, niederschmetterndes Warten auf die Wahrheit.
Malanga ließ sich nicht mehr sehen. Täglich dreimal brachten die Bantus das Essen in die Hütte und nahmen die großen Kalebassen – ausgehöhlte riesige Flaschenkürbisse, die als Gefäße dienten – mit, in die die Sanders ihre Notdurft verrichten mußten.
Auf alle Fragen Roberts und Corinnas blieben die Bantus stumm. Sie stellten das Essen hin, nahmen die Wünsche schweigend entgegen und verließen die Hütte, die von außen abgeschlossen wurde. Am zweiten Tag sagte Corinna:
»Ich möchte Dr. Malanga sprechen! Sagt ihm, daß es wichtig ist.« Die Bantus schwiegen wie bisher, zeigten keinerlei Regungen, räumten die Essensreste vom Vortag weg und legten mit einem Reisigbesen die Hütte aus. Corinna stellte sich ihnen in den Weg. »Sagt ihm«, schrie sie plötzlich, »daß ich die Hütte anzünde, wenn er nicht kommt! Habt ihr verstanden?!«
Die Wächter kehrten weiter, kamen mit neuen Kalebassen und schlossen dann das geflochtene Gefängnis wieder ab.
»Versprichst du dir etwas davon?« fragte Robert. Er kaute an einem Stück kalten Rinderbraten. »Was willst du ihm überhaupt sagen?«
»Daß ich ihn nicht verstehen kann.«
»Ich nehme an, das weiß er.« Robert trank aus dem Blechbecher das gefilterte Wasser, das man ihnen jeden Morgen in einer kleinen Kalebasse brachte. Es war gut gekühlt und erfrischte köstlich, wenn am Tage die unbarmherzige Sonne die Temperatur im Inneren der Hütte auf über 40 Grad ansteigen ließ. Dann lagen Gisela und Corinna, nur mit Büstenhalter und Höschen bekleidet, auf der kühlenden Erde, während Robert nackt bis auf eine knappe Unterhose an der geflochtenen Wand hockte.
»Hast du Malanga jemals die Gelegenheit gegeben, zu glauben, daß du ihn liebst?«
»Nein.« Corinna strich sich die blonden Haare aus dem schwitzenden Gesicht. »Wir waren gute Freunde. Er sieht gut aus, unbestritten, er ist klug und mutig, er ist gar nicht der Typ des ostafrikanischen Negers … das alles sagte ich mir damals auf der Hotelterrasse in Kampala und war nett zu ihm. Außerdem versprach er mir, mich zur Farm zu bringen. Ich wußte ja nicht, was mit euch geschehen war. Alle offiziellen Stellen mauerten sich zu. Sogar die deutsche Botschaft wußte von nichts und mußte sich auf die Lügen des Ministeriums verlassen. Ich glaube, bis heute weiß die Welt noch nicht, was hier in Toro passiert. Überall hieß es: Eine Seuche grassiert in diesem
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