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In den Klauen des Löwen

In den Klauen des Löwen

Titel: In den Klauen des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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kommandierte er. Dann lehnte er sich zurück, schloß die Augen und genoß das leise Schaukeln seiner Thronsänfte. Um ihn herum tappten zweihundert Krieger, knirschte der Steppenboden unter vierhundert nackten, schwarzen Füßen. Vor ihm zogen in drei Kolonnen, wie drei riesige Schlangen, die Bwambas durch das hohe Elefantengras. Ein Volk war im Aufbruch, ein Volk sah von ferne, im weißblauen Licht gleißender Sonne seine neue Heimat.
    Die Wälder, ein Reichtum ohnegleichen, wenn man die Schätze zu erkennen und zu verwerten versteht.
    Die Berge mit ihren fruchtbaren Tälern und Hochebenen.
    Die Felsen, natürliche Festungen gegen alle Feinde.
    Und über allem, in den Wolken und im ewigen Schnee, die Götter.
    Laßt Malanga leben, betete Kirugu stumm zu ihnen, während er durch das hohe Gras geschaukelt wurde. Wir brauchen ihn, er ist Kopf und Seele unseres Volkes. Was sind wir ohne ihn? Heimatlose in der Savanne, Vagabunden, Ausgestoßene. Erst er macht aus uns ein Volk. Laßt ihn leben – oder wir ziehen jetzt in das Vergessen. Mit ihm werden auch wir zugrunde gehen.
    Malanga hatte die Hütte erreicht, die Budumba als letzter Unterschlupf diente. Eine alte, morsche Grashütte, am Rande des Lagers, dort, wo man den Unrat hintrug und in Haufen aufrichtete. Kein Hund würde hier wohnen … Budumba mußte es nach seiner Entzauberung.
    Als er Malanga kommen sah, atmete er auf. Er hatte ihn erwartet. So sieht der Tod aus, dachte er, und es war keinerlei Schrecken in diesen Gedanken. Nur eine große Leere umgab ihn, eine Nüchternheit, die plötzlich die Welt entzauberte. Alles schien seine Farbe zu verlieren … die Gräser, die Bäume, der Himmel, der Boden … sie waren gleich, grau und dumpf, und alle Geräusche verloren den Klang und wurden zu einem eintönigen Summen.
    Malanga verhielt den Schritt nicht, als Budumba ihm von seiner Hütte aus entgegenkam. Er hinkte etwas, der Verband um die Oberschenkelwunde war verrutscht. Die Wunde brannte etwas, aber auch das spürte Budumba nicht mehr, als er Malangas Augen sah.
    Zwei Meter voreinander blieben sie stehen.
    »Wo ist Corinna?« sagte Malanga heiser.
    »Fort. Mit einem Jeep, mit Waffen und Verpflegung für eine Woche. Wenn sie gut fahren, können sie morgen die Regierungstruppen erreichen.« Budumbas Stimme war voll Triumph. Sein Gesicht glänzte wie nach einer seiner wirkungsvollsten Zaubereien. »Du siehst sie nicht wieder!«
    »Welch ein Schwein bist du«, sagte Malanga leise. »Welch ein Schwein.«
    »Besser ein Schwein als ein Idiot!« Budumbas Lachen gellte in den Ohren Malangas wie das Geschmetter von hundert Posaunen. Er verzog das Gesicht vor diesem brüllenden Ton, seine Augen verengten sich. »Jawohl, ein Idiot!« schrie Budumba. »Hast du geglaubt, du könntest das weiße Mädchen heiraten? Hast du bei ihr auf Liebe gehofft? Oh, du Verrückter! Was hast du denn an dir, daß sie dich lieben könnte? Deine Erziehung in der Missionsschule, deine Kunst, mit Messer und Gabel zu essen, einen Hummer so zu zerteilen, daß du auch an der Tafel des Hilton-Hotels essen könntest? Dein Studium? Deinen Doktorgrad? Deine Manieren eines Gentleman? Daß du drei Sprachen sprechen kannst? Daß du Walzer tanzt? Daß du Maßanzüge trägst statt Lendentücher? Du Idiot! Du Idiot! Was du auch tust, deine Haut bleibt schwarz! Deine Nase bleibt breit, deine Lippen bleiben wulstig. Und wenn du dich schminkst und bepuderst, und wenn du alles machst … du bleibst ein Neger! Was nützt dir da dein Latein, was nützen deine Liebesgedichte? Ein Mädchen wie Corinna müßte blind sein, um dich zu lieben – und selbst dann merkt sie es noch an dem süßlichen Gestank, den wir ausströmen! Und du willst ein Leben mit ihr führen, willst sie heiraten und Kinder kriegen, kleine braune Malangas, die wie häßliche Erdklumpen aussehen, wenn sie an der Brust ihrer weißen Mutter liegen … Du Idiot! Du Idiot!«
    Malanga hatte Budumbas Triumphgeschrei nicht unterbrochen. Starr, mit hochaufgerichtetem Kopf, ließ er die Flut der Beschimpfungen über sich ergehen. Die Worte waren wie Säure, sie zerfraßen die letzte Menschlichkeit in ihm. Erst als Budumba erschöpft mit Reden aufhörte, fragte er langsam:
    »Hat sie das zu dir gesagt?«
    »Ja!« jauchzte Budumba, diese neue Möglichkeit, Malanga innerlich zu zerfetzen, sofort ausnützend.
    »Nabu … ich frage dich: Hat sie so über mich gesprochen?«
    »Ja! Ja! Sie nannte dich einen schwarzen Affen!« Budumba klatschte in die Hände.

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