In den Klauen des Löwen
Malanga um. Dieser hielt drei Meter hinter ihm und lächelte. »Aha!« sagte Thorwaldsen nur. Er lief rot an, aber schwieg darauf.
»Ich fürchte, wir müssen den Wagen stehenlassen, Sir.« Malanga kam teilnahmsvoll näher. »Darf ich mal einen Blick auf den Motor werfen?«
»Rühren Sie meinen Wagen nicht an!« brüllte Thorwaldsen. Er glühte wie die festgefressenen Kolben.
»Ich will Ihnen nur helfen, Sir.«
»Danke.« Thorwaldsen hieb die Motorhaube zu. »Was nun?«
»Sie steigen um zu mir«, sagte Malanga höflich. »Auf den Kisten kann man bei einiger Balance sitzen. Allerdings können wir nur das Nötigste von Ihnen mitnehmen. Ihr Rasierzeug vielleicht.«
Thorwaldsen kaute an der Unterlippe. Die Arbeit von zwei Monaten war umsonst getan. Die Felle, das Elfenbein, alles mußte hier mitten in der Steppe zurückbleiben. Er hätte in diesem Augenblick Malanga ebenso durchlöchern können wie den alten Löwen; nur die Gegenwart Corinnas hielt ihn davon ab.
»Ich werde neben dem Wagen einen Mast errichten mit einer Fahne«, sagte er. »Wenn die Regierungstruppen in dieses Gebiet kommen, wissen Sie, wem der Wagen gehört.«
»Das ist eine gute Idee«, sagte Malanga höflich. »Gehen wir einen langen Ast schlagen.«
Es dauerte eine halbe Stunde, bis Thorwaldsen seinen Fahnenmast aufgerichtet, in den Boden gerammt und an die Tür des Wagens gebunden hatte. Oben flatterte ein weißes Stück Leinen, auf das er geschrieben hatte: Eigentum von H. Thorwaldsen. Fort Portal. Jagdschein Nr. 32.619 S.
»Können wir weiterfahren?« rief Malanga. Er saß schon wieder in seinem Wagen, Corinna neben sich. Für Thorwaldsen blieb ein kleiner Platz auf einer harten Aluminiumkiste. Er mußte sich mit Händen und Füßen daran festklammern, um bei dem Schwanken des Wagens nicht herunterzufallen.
»Ja! Sofort.« Er sah noch einmal auf seine zweimonatige Arbeit. »Können wir nicht ein Leopardenfell mitnehmen?«
»Nein! Ich riskiere keinen Achsenbruch!«
»Gut!« Thorwaldsen kletterte auf seine Kiste. Er zitterte vor verhaltener Wut. »Sie hätten statt Arzt Ölfachmann werden sollen!«
»Man muß verlieren können, Sir«, sagte Malanga höflich.
Thorwaldsen knirschte mit den Zähnen. »Ich werde Sie daran erinnern«, bellte er giftig.
Corinna legte die Hand auf Malangas Arm. Sie durchschaute diesen kleinen Privatkrieg und war sehr unglücklich darüber. »Hätte ich das alles geahnt, wäre ich in Kitumba geblieben«, sagte sie leise.
»Das war nicht zu ahnen.« Malanga ließ den Motor aufheulen. Dann fuhr er ab, ruckartig, indem er plötzlich bei Gas die Kupplung freigab. Thorwaldsen auf seiner Kiste fluchte und klammerte sich irgendwo fest. Er wurde durchgeschüttelt wie in einer Schleuder. »Nun ist es zu spät, Miß Sander. Nun gibt es kein Zurück mehr. Wir müssen in die Mondberge.«
Irgendwo in den weiten, undurchdringlichen Sumpfgebieten des Flusses Wasa, zwischen dem Südzipfel des Albert-Sees und den Ausläufern des Ruwenzori-Gebirges, der sagenhaften Mondberge, die bis zu 5.109 Metern ansteigen und ewigen Schnee auf ihren Gipfeln tragen, hatte die Hauptgruppe der Bwamba-Bantus ihr Lager aufgeschlagen. Verteilt auf viele kleine, feste Inseln inmitten des Sumpfes hatten sie ihre Hütten gebaut, kleine runde Dinger, mit Schilf gedeckt und lediglich dazu aufgerichtet, um für ein paar Tage Schutz gegen den Regen zu bieten. Wenn der Befehl zum Weiterziehen kam, warf man die Hütten einfach um und zertrampelte sie oder verstreute sie im Sumpf.
Es waren über zweitausend Krieger, die jetzt hier in den Makoga-Sümpfen hausten, dazu einige Frauen und Kinder, die dem neuen König Kirugu gehörten und für alle anderen unantastbar waren. Sie lebten in einer großen Gemeinschaftshütte neben dem Rundbau Kirugus, neben dem auch die Hütte des Zauberers Budumba stand. Die kleine Insel war ein geheiligter Bezirk, nur ein schmaler Pfad verband sie mit den anderen festen Plätzen. Kaum zwei Mann konnten nebeneinander darübergehen. Es war ein natürlicher Schutz. Kirugu und Budumba waren unangreifbar.
Während eine Abteilung der Krieger auf Jagd ging und Wasserböcke und Flußpferde erlegte, die auf niedrig gehaltenen, kaum qualmenden Feuern gebraten wurden, saßen Kirugu und Budumba an einem Transistorradio und hörten die Meldungen von Radio Kampala.
In ihrem Zug durch die Provinz Mubende hatten sie eine Pause eingelegt, um die ermatteten Krieger zu schonen und die Verwundeten gründlich zu versorgen. Kirugu rechnete mit
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