In den Klauen des Löwen
farbigen Farmarbeiter militärisch auszubilden. Täglich drei Stunden exerzierte er mit ihnen auf dem großen Hof des Herrenhauses, ließ Griffe klopfen, hielt Schießübungen ab und gab Unterricht in Taktik, Angriff und Verteidigung. Morgens um 7 Uhr klang es über der Harris-Farm wie über einem Kasernenhof. Mike hatte das militärische Brüllen noch nicht verlernt und schrie seine Trupps nach guter alter Kommißmanier an.
Der Erfolg zeigte sich bald: Als ein Trupp versprengter Bwambas durch das Harris-Gebiet zog, kam ihm ein Stoßtrupp der Farm entgegen. Das Gefecht war kurz, weil die Farmarbeiter streng nach Reglement handelten, Zickzack springend zum Angriff übergingen und die Bantus in wilde Flucht schlugen.
Das war das letzte Mal, daß Mike Harris schießen mußte; er meldete es per Funk nach Kampala und fügte hinzu: »Was wir hier können, sollte auch die Armee können. Ich denke, Ihr habt dort englische Instrukteure?«
Er bekam darauf natürlich keine Antwort, und beliebt machte er sich auch nicht dadurch. Aber das störte Harris wenig. Er hatte sich seine eigene Festung gebaut, und er wußte, daß sie uneinnehmbar war, solange die Bantus kämpften wie vor dreihundert Jahren.
Aber wie lange noch? Wann wuchs aus ihrer Mitte auch der politisch kluge und europäisch ausgebildete Kopf hervor, der das Volk um sich sammelte und mit modernen Mitteln einen Unabhängigkeitskrieg führte? In jedem afrikanischen Volk leuchtete plötzlich solch ein Stern auf, und dann standen die Europäer meistens verblüfft und wehrlos vor der Tatsache, ein jahrhundertelang schlafender Kontinent plötzlich erwachte.
Mike Harris machte sich darüber keine Gedanken, jedenfalls nicht mehr als um die Reparatur einer Erntemaschine, die einen Motorschaden hat. Er wurde erst munter, als er das Rundfunkprogramm hörte. Die Spätnachrichten brachten den Steckbrief des unbekannten Mannes, der zum Staatsfeind Nr. 1 in Uganda erklärt wurde.
Mike Harris hörte sich das alles an, dann wurde er rot im Gesicht und griff nach seiner Pfeife.
Ein Bantu. Ein Arzt. Ein Gentleman. In Europa studiert.
»Das ist doch …!« brüllte Harris und sprang auf. Er rannte in den kleinen Funkraum neben dem Badezimmer, setzte sich an das Gerät, stülpte die Kopfhörer über und stellte die Frequenz des Regierungssenders ein.
»Hier XN 3 … hier XN 3 … bitte kommen … bitte kommen …«, sprach er in das Mikrofon und warf den Hebel auf Empfang.
Stille. Die Leute in Kampala antworteten nicht. XN 3 … das war Harris, wußten sie. Wenn Harris funkte, gab es immer Ärger. Er beleidigte regelmäßig Gott und die Welt. Warum also antworten? Man wollte sich nicht aufregen. Es war ein so schöner Abend, in einer halben Stunde kam die Ablösung, dann konnte man noch in ein Lokal gehen und mit Mimia tanzen. Harris aber verdarb einem den schönen Abend, also schweigen wir.
»Saubande!« fluchte vierhundert Kilometer westlich Mike Harris und hieb den Hebel wieder herum auf Sendung. »Da hat man einen großen Fisch an der Angel und die Kerle pennen! Hallo … XN 3 … hier XN 3 … bitte melden … bitte melden … Es ist dringend. Es handelt sich um den Mann auf dem Steckbrief der Regierung … bitte melden …«
Die beiden Funker im Regierungsfunkraum sahen sich an und grinsten. Alter Fuchs, dachten sie. Kommt mit dieser Tour. Und wenn wir uns melden, legt er los und beschimpft uns. Nicht mit uns, Sir. Als wenn der große mganga gerade bei Mike Harris Station machen würde! Ausgerechnet dort!
Aber Harris gab nicht auf. Er brüllte eine halbe Stunde lang in das Mikrofon, bis sich seufzend und mit einem Blick zur Decke endlich der Regierungsfunker meldete. Er war schon die Ablösung, seine beiden Kollegen hatten sich fluchtartig entfernt.
»Schlaft ihr?!« brüllte Harris, als er endlich Verbindung zu Kampala hatte. »Ich versuche seit …«
»Verzeihung, Sir«, unterbrach ihn der schwarze Funker, »aber mein Kollege und ich waren gerade auf der Toilette.«
»Eine halbe Stunde lang kann man nicht scheißen!« schrie Harris zurück. »Da kann hier die Welt untergehen, ihr hockt auf der Brille und fabriziert dicke Haufen. Verdammt noch mal!«
»Was wollten Sie der Regierung melden?« fragte der Funker in Kampala sehr zurückhaltend. »Bitte schnell, Sir … wir brauchen die Frequenz für wichtigere Dinge.«
»Wichtigere?!« Harris schnaufte wie ein Flußpferd. »Bei mir war euer Mann, euer Staatsfeind Nr. 1. Dieser Bantu-Arzt.«
»Ach«, sagte der Funker
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