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In den Klauen des Löwen

In den Klauen des Löwen

Titel: In den Klauen des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Druck um das Herz herum blieb.
    Er hatte Malanga lange genug gesprochen und angesehen. Er wußte, daß er mit einem bedeutenden Mann gesprochen hatte. Einem Mann, dem es zuzutrauen war, einen neuen Brand in Afrika zu legen; eine Revolution, die Blut und Tränen und Vernichtung bedeutete.
    Und Corinna Sander war bei ihm und vertraute ihm wie einem Freund.
    Mike Harris griff zur Whiskyflasche und goß sich einen ganzen Becher voll. Seine Ohnmacht, weil er hier nicht helfen konnte, mußte er ertränken.
    Von jetzt ab begann eine gnadenlose Jagd.
    Malanga wußte es. Während Thorwaldsen und Corinna sich um das Abendessen kümmerten und Thorwaldsen Wasser von einem nahen Fluß holte, es durch Gaze filterte und abkochte, saß er im Wagen und hörte, auf leise gedreht, die Nachrichten aus Kampala. Corinna, die auf dem Gaskocher eine Suppe kochte, sah zu ihm herüber.
    »Etwas Neues, Malanga?« rief sie ihm zu.
    »Nein, Miß Sander. Nichts Besonderes. Das Übliche. In Deutschland demonstrieren die Studenten gegen alles, in Frankreich demonstrieren die Bauern gegen die Agrarpreise und in England zittert die Pfund Währung.«
    »Schrecklich!« Corinna rührte in dem dampfenden Kessel. Ein herrlicher Geruch zog über den Campplatz. »Wie friedlich leben wir dagegen hier.« Sie schwieg plötzlich, erschrocken von dieser so leicht hingesagten Phrase. Mit großen Augen starrte sie zu Malanga. Frieden? Man hat Vater und Mutter erschlagen, die Farm niedergebrannt und Gisela und Robert mitgeschleppt.
    Frieden? Ihn gab es nicht mehr auf der Welt. Überall war nur Töten und Tod, Haß und Wahnsinn, Blut und Feuer.
    »Stellen Sie das Radio ab!« sagte sie heiser. »Bitte … ich will nichts mehr hören! Ich habe genug vom Tod!«
    Malanga drehte den Ton ab und legte das Transistorradio zur Seite. Nichts an ihm verriet, daß er nun der meistgesuchte Mensch in Uganda war, daß sein Kopf 5.000 Uganda-Shillinge wert war.
    Woher wissen sie, was ich plane, dachte er nur. Wer hat ihnen einen Hinweis gegeben? Wo ist die undichte Stelle, aus der die Geheimnisse heraustropfen wie wertvolles Blut?
    Er setzte sich an den Klapptisch und sah Corinna zu, wie sie die Suppe abschmeckte und noch etwas Salz hineinstreute. Der Schein des Lagerfeuers zuckte über ihre schlanke Gestalt und ließ die blonden Haare wie Flammen aufleuchten.
    In Malanga begann ein großer Konflikt sein Wesen zu spalten.
    Was soll ich tun, dachte er.
    Soll ich mein Volk zu einem eigenen Staat führen? Oder soll ich umkehren – noch kann ich es – und irgendwo eine Arztpraxis aufmachen, nicht hier, vielleicht in Nairobi oder in Daressalam oder als Chirurg in einem der großen, modernen Hospitäler, die man aus Entwicklungsgeldern baut? Ich könnte dann Corinna heiraten, wir würden ein herrliches, ruhiges, glückliches Leben führen, und sie wird vergessen, was mein Volk ihr angetan hat.
    Ein kleines Haus am Meer oder in den Bergen. Keine Politik, keine Greuel, kein Blut für einen Traum. Eine weiße Frau, die mir allein gehört. Kinder, die aus unserer Liebe stammen. Ein Leben in Zufriedenheit.
    Was soll ich tun?
    Er starrte in die Flammen des Lagerfeuers und fühlte sich wie ein Mensch, der aus vielen Wunden blutet.
    Umkehren? Das Volk verraten?
    Malanga zuckte zusammen. Corinna stand hinter ihm und hatte ihm die Hände auf die Schultern gelegt. »Was ist mit Ihnen?« fragte sie. »Sie sind so stumm und starren ins Feuer.«
    Malanga legte seine Hände auf die Hände Corinnas und hielt sie fest. »Ich bin ein Vogel«, sagte er nachdenklich. »Ein Vogel, der herumflattert und einen Ast zum Ausruhen sucht. Aber nirgends ist ein Baum, kein Strauch ist da, kein Grashalm … nur Wasser, bewegtes Wasser. Wo soll sich der Vogel ausruhen?«
    »Auf einer Rose, die im Wasser schwimmt.«
    »Das ist gut.« Malanga nickte. »Seien Sie diese Rose, Miß Sander.«
    Eine ganze Weile blieb es still zwischen ihnen.
    Malanga saß vor dem prasselnden Lagerfeuer und starrte in die Flammen. Corinna stand unbeweglich hinter ihm und ließ ihre Hände in seinen Händen. Irgendwo aus der Dunkelheit, in der Nähe des Flusses, hörten sie halblautes Fluchen. Thorwaldsen war bei seiner Wasserschlepperei auf ein Warzenschwein gestoßen, das, aus seiner Nachtruhe aufgescheucht, grunzend durch das Schilf davontrabte.
    »Ich mag Sie gern, Julius«, sagte Corinna nach geraumer Zeit.
    »Danke, Miß Corinna. Das ist wenigstens etwas.« Es klang bitter.
    Gern mögen, das war die unverbindlichste Form der Sympathie.

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