In den Klauen des Löwen
Menschen zu suchen und zu stellen. Einen Menschen, dessen Namen man nicht kannte, über den es keine Beschreibung gab, und von dem man nur wußte, daß er existierte. Der Staatsfeind Nr. 1 für Uganda.
»Ich kann eine Provinz wie Toro nicht abriegeln«, sagte der General schwach. »Nur aus der Luft könnten wir …«
»Sinnlos!« McCallen winkte ab. »Politische Genies wie dieser Bantu benehmen sich in der Steppe wie Erdferkel; sie graben sich unsichtbar ein und wandern nachts. Sie müssen versuchen, das Volk zu gewinnen. Ich habe es schon dem Herrn Minister vorgeschlagen: Setzen Sie eine Belohnung auf seinen Kopf aus. Sagen wir: 5.000 Uganda-Shillinge. Das ist ein Vermögen für einen Bauern, wenn er vor der Frage steht: Beherberge ich den Kerl oder liefere ich ihn ab und bin ein reicher Mann? Ich glaube, er wählt das Geld.«
»Das Ministerium ist bereit, diese 5.000 Shillinge zu zahlen.« Der Innenminister lehnte sich zurück. »Ich halte die Idee von Sir McCallen für die einzig richtige.«
»Und was soll ich dabei?« fragte der General.
»Etwas Ungewöhnliches tun, General.« McCallen drückte mit dem Daumen den Tabak tiefer in die Pfeife. »Für einen Soldaten ist es vaterländische Pflicht, Rebellen unschädlich zu machen. Hier soll es anders sein: Auch der Soldat, der diesen Arzt fängt oder tötet, soll die 5.000 bekommen! Der Mann, glauben Sie es mir, ist diese Sonderregelung wert. Halten Sie mich nicht für anmaßend, aber wenn es um Freiheitsideen geht, mögen sie auch noch so verschroben sein, traue ich nicht einmal dem Militär. 5.000 Uganda-Shillinge zerbrechen dagegen auch das patriotischste Herz!« McCallen legte seine Pfeife auf die kupferne Tischplatte und beugte sich etwas vor. »Ich bin bereit, mit Ihnen den Text des Steckbriefes zu besprechen. Sie sollten heute noch über den Sender Kampala, über alle Militärfunkstellen und in allen Zeitungen den Aufruf bringen. An jeden Lastwagen, an jedes Auto, an jeden Esel, auf den Rücken jedes Menschen, der nach Osten, Süden oder Norden fährt, reitet oder geht, sollte man den Steckbrief kleben.«
»Wir werden das ganze Land damit überschwemmen.« Der Innenminister griff zitternd nach einer Zigarette, die ihm der General reichte. »Er wird uns nicht entgehen. Wenn wir wenigstens den Namen wüßten …«
»Unsere Leute sind Tag und Nacht unterwegs. Jede Stunde kann per Funk Genaueres kommen. Aber jede Stunde ist auch wichtig.« Sir McCallen klopfte seine Pfeife in dem großen Aschenbecher aus und begann aus einem Lederbeutel, den er aus der Tasche zog, den Kopf neu zu füllen. »Ich habe das merkwürdige Gefühl, als säße dieser Kerl mitten unter uns. Oben im ›Apolo‹, im Grand-Hotel, im Silver Springs; elegant im Smoking, an der Bar, auf seine große Stunde wartend. Wir müssen ihm die Zeit abschneiden, mit der er spielt. Setzen wir den Text auf …«
Am Abend dieses Tages strahlten alle Sender den Steckbrief von Julius Malanga aus. In den Druckereien jagten die Schnellpressen Plakate und Handzettel über die Druckwalzen.
5.000 Uganda-Shillinge für einen Mann, der noch ein Phantom ist.
Er ist groß, schlank, sieht gepflegter aus als alle anderen Bantus, hat das Benehmen eines Gentleman und ist ein mganga (Arzt).
Er ist der Mann, den ganz Uganda sucht!
Als die Rundfunkstationen diesen Steckbrief ausstrahlten, war Julius Malanga gerade dabei, das neue Nachtlager zu suchen. Langsam fuhr er durch die Savanne und suchte einen geschützten Platz. Thorwaldsen hockte auf der Aluminiumkiste wie ein Riesenaffe und sehnte das Ende der Fahrt herbei. Sein Hintern war wundgescheuert, und seine Wut auf Malanga war grenzenlos.
Die Harris-Farm, umgewandelt in ein sturmsicheres Fort, wurde in den folgenden Tagen nicht mehr von den aufständischen Bantus berannt. Das Maschinengewehr auf dem Dach hatte sich ebenso schnell herumgesprochen wie der Befehl Mike Harris', von ›Gefangenen abzusehen‹, wie er es mit einer höllischen Höflichkeit ausdrückte.
Die Arbeit auf den Plantagen ging weiter. Es war jetzt wie in Israel an den jordanischen Grenzen: Man ging mit Gewehren und Maschinenpistolen auf die Felder, und während zehn Mann arbeiteten, wachten zwei Mann auf erhöhten Aussichtssitzen und kontrollierten das Land. Wenn sich etwas Unbekanntes regte, gellte ein Alarmsignal eine Sirene mit Handkurbel –, dann warfen die Arbeiter die Werkzeuge auf den Boden, griffen zu den Waffen und bildeten Kampfgruppen. Mike Harris begann sogar damit, seine
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