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In den Klauen des Löwen

In den Klauen des Löwen

Titel: In den Klauen des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Krieger-Kompanien und eine – wie eine Herde zusammengetriebene – Schar von Frauen und Kindern.
    Vor dem Stuhl mit dem schlafenden Häuptling trugen kräftige Neger an langen Stangen einige verschnürte, große Pakete. An Stricken pendelten sie hin und her. Thorwaldsen kannte das; so transportierte man im Busch das erlegte Wild oder gefangene Wildkatzen. Aber das hier, das sah er gleich auf den ersten Blick, waren keine Tiere.
    Hier wurden Menschen transportiert. Zusammengeschnürte, in Häute gewickelte Menschen, mit Händen und Füßen an die Stangen gefesselt.
    Bewegungslos, an den armdicken Ast der Schirmakazie geschmiegt, wie ein sichernder Leopard, starrte Thorwaldsen auf den Kriegerzug. Er sah keinen Sinn in diesem Nachtmarsch. Stammesfehden gab es nicht mehr. Seit der Selbständigkeit Ugandas war dieses Land ein friedlicher Flecken Erde, die Könige und Häuptlinge regierten in ihren Gebieten, beaufsichtigt vom Parlament und den Ministerien in Kampala, gelenkt durch eine kluge Stammespolitik. Die Zeit, in der die Stämme gegeneinander Krieg führten, gehörte der Geschichte an. Die Bantus begannen, über ihre Grenzen hinaus zu denken. Sie waren ein Volk, ein geschlossener Staat geworden, mit einer Stimme in der UNO.
    »Das muß ein bestimmter Zauber sein«, sagte Thorwaldsen leise und kroch den Ast zurück. Der Zug der Eingeborenen ging fünfzig Meter an seinem Baum vorbei. Bis hierhin reichte kein Fackelschein. Hier war tiefe Nacht. »Vielleicht beschwören sie einen Ahnen.«
    Doch dann fielen ihm die pendelnden Bündel an den Stangen ein, und er wurde sehr nachdenklich.
    Was es auch ist, dachte er, oberstes Gebot ist immer: Sich nicht einmischen. Afrika ist ein herrliches Land, wenn man ihm sein eigenes Leben läßt. Was kümmern einen die Stämme … man ist Großwildjäger und hat sich hier eine neue Heimat geschaffen. Hören wir nicht hin, schließen wir die Augen.
    Hendrik Thorwaldsen rannte zurück zu seinem kleinen Camp, baute sein Zelt ab und verlud es auf den Landrover. Dann fuhr er, was selten ein Mensch in der Savanne tut, in der Nacht weiter nach Norden.
    Es ist immer besser, zwischen sich und dem, was man nicht sehen wollte, viel Raum zu haben.
    Die Wunder Afrikas sind manchmal tödlich.
    Das Apolo-Hotel auf dem Gun Hill von Kampala leuchtete mit seinen Hunderten von Fenstern in die schwüle Nacht. Man merkte die Nähe des Äquators; auch wenn es sich nachts abkühlte, waren die Schwankungen nicht mehr als höchstens 10 Grad. So war die Kühle der Nacht immer noch so hoch wie ein guter Sommertag in Europa. Und doch war sie erfrischend nach der Gluthitze des Tages, wo das Thermometer auf über 40 Grad kletterte.
    In der großen Halle und auf der Panorama-Terrasse des Hotels spielten Tanzkapellen und drehten sich die Paare langsam auf den blanken Flächen. Meist waren es Weiße oder Inder; Geschäftsleute von Kampala; die Reichen, die sich hier zum Diner trafen mit den Geschäftsfreunden aus aller Welt, die im ›Apolo‹ wohnten. Auch Touristen der Luxusklasse, Amerikaner und Deutsche, saßen auf der Panorama-Terrasse und erlebten das verstädterte Afrika bei Nacht. Morgen würden sie mit einem Omnibus ins Innere fahren, auf Safari, um Elefanten und Löwen, Wasserbüffel und Nilpferde zu fotografieren, um nachher mit den Fotos die Nachbarn und Bekannten zu ärgern, die sich eine solche Reise nicht leisten konnten.
    Auch einige reiche Bantus saßen an den runden Tischen mit den kleinen Lampen. Unauffällig, in dunklen Gesellschaftsanzügen, stolz auf ihre Frauen, die in langen Abendkleidern und hochgetürmten Frisuren die neue, selbstbewußte Schicht des jungen Staates repräsentierten.
    In dem angestrahlten, großen Schwimmbecken im tropisch üppigen Garten planschten ein paar Mädchen und bespritzten ihre Kavaliere am Rande des Pools. Ihr Lachen klang durch die Musik der beiden Tanzkapellen bis zum Dachgarten hinauf.
    Corinna Sander lehnte an der Balustrade und sah hinunter auf das schlafende Kampala. Sie konnte nicht schlafen, sosehr sie sich dazu auch gezwungen hatte. Kaum lag sie im Bett, überfielen sie Bilder von Brand und Tod, hörte sie die Stimmen ihrer Eltern, die nach ihr riefen, geisterte dumpfer Trommelklang durch ihren Kopf. Sie war dann immer aufgesprungen und hatte einen Schluck Eiswasser genommen. Schließlich zog sie sich wieder an und fuhr hinauf in den Dachgarten, so wenig sie dazu aufgelegt war, jetzt Tanzmusik zu hören.
    Da sitzt ihr nun und trinkt euren Whisky, Likör

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