In den Klauen des Löwen
aufgesetzt und hockte nun in der Tür seines gelbgestrichenen, im hohen Gras kaum sichtbaren Landrovers, hatte ein Stück geräucherten Gazellenschinkens zwischen den Beinen und schnitt ein paar große Lappen davon ab.
Für Thorwaldsen war der Tag zu Ende. Nach dem Essen würde er sich sein Zelt aufbauen. Zwischen dem dicken Stamm des Baumes und seinem Landrover. Eine kleine Festung. Mit einem Feuer davor, das in der Nacht herumstreifende Leoparden fernhalten würde.
Afrika barg keine Gefahren für ihn. Hendrik Thorwaldsens Vorfahren waren von Schweden nach Hamburg gekommen und hatten sich dort als Reeder niedergelassen. Die Thorwaldsen-Linie war bekannt. Sie hatte sich vor allem auf Südamerika spezialisiert. Von dort kamen die Bananen-, Kaffee- und Guano-Schiffe über den Atlantik nach Hamburg; schmucke Dampfer, die der alte Thorwaldsen immer wieder vervollständigte und durch Neubauten ersetzte. Die alten Kähne verkaufte er an afrikanische Gesellschaften, wo sie in der Küstenseefahrt noch gute Dienste taten.
So kam auch Hendrik nach Afrika, zunächst nur, um einen Vertrag auszuhandeln. Dann machte er eine Safari mit und war von diesem Land fasziniert, begann die Tiere zu lieben, die Probleme der jungen Staaten zu achten und verlor sein Herz völlig an die Savanne und den Regenhochwald an den Hängen der ostafrikanischen Berge.
Aus einer Vertragsunterzeichnung wurden sieben Jahre Jägerdasein. Der alte Thorwaldsen in Hamburg hatte zuerst getobt, dann mit Enterbung gedroht, schließlich seinen Sohn Hendrik tatsächlich aus der Liste der Reedernachfolger gestrichen.
Hendrik machte sich nichts daraus. Groß, breitschultrig, mit blondem Stoppelhaar, zog er durch die Savannen und jagte, verkaufte die Trophäen jährlich viermal an einschlägige Händler und erhielt dafür genug, um weiterzuleben, Munition zu kaufen, seinen Landrover in der Werkstatt durchsehen zu lassen und ab und zu eine neue Safariausstattung zu beschaffen. Was er zum Leben brauchte, schenkte ihm die verschwenderische Natur Ostafrikas: das Wasser, das er vor dem Trinken immer abkochte; Fleisch der Antilopen und Gazellen; Früchte, die er nur zu pflücken brauchte. Milch gaben ihm die Bantus, Gemüse kaufte er auf den Eingeborenenmärkten gegen Glasperlen oder Gewehrmunition. Was wollte er mehr? Die große weite Welt gehörte ihm, und wenn er in seinem Zelt lag und die vielfachen Stimmen der Savanne hörte, den Wind in den Zweigen der Euphorbien und Papaya-Bäume spürte, dann war er der glücklichste Mensch dieser Erde und dachte nur mit Schaudern an das Leben, das man zivilisiert nennt.
An diesem Tag hatte er kein Glück gehabt. Die Jagderlaubnis des Game and Fisheries Departments Uganda in Entebbe gestattete ihm zwar das Jagen in den Gebieten Toro, Mubende und Bunyoro, und der auch heute noch regierende ›König‹ von Toro, der ›Mukama‹, der in Fort Portal einen zweistöckigen Rundpalast bewohnte, war sein Freund und Duzbruder – aber das nutzte wenig gegen die Beschränkungen, die man ihm auferlegt hatte. Der Abschuß der Elefanten war genau eingeteilt. Die Flußpferde und Nashörner waren kontingentiert; es gab sie gewissermaßen auf Bezugsschein. An Impala-Gehörnen und Topi-Antilopenstangen hatte er genug im Wagen. Der nächste Elefant war der letzte in diesem Monat, dann war das Konto erschöpft. Und auf diesen letzten Monatselefanten hatte Hendrik Thorwaldsen seine Jagd angesetzt. Er war wählerisch und ließ die normalen Bullen an sich vorüberziehen, verdeckt durch das fast drei Meter hohe Gras, riesige Halme von der Größe kleiner Bäume. Hier stand er still mit seinem gelbgestrichenen Wagen und beobachtete die gewaltigen Tiere, wie sie durch das Gras walzten und eine eigene Straße durch die Savanne anlegten.
Er wartete auf seinen alten, kapitalen Bullen. Auf den grauen Fleischberg, dessen Stoßzähne 60 Kilogramm wiegen. 120 Pfund bestes Elfenbein … es reichte aus, das Leben Hendrik Thorwaldsens für ein Vierteljahr zu finanzieren.
An diesem Tage hatte er überhaupt keinen Elefanten gesehen. Die Savanne war merkwürdig unruhig gewesen. Große Herden von Kudus mit ihren gewaltigen, gedrehten Gehörnen und Rudel von Defassa-Wasserböcken galoppierten in geringer Entfernung an ihm vorüber, als würden sie von unsichtbaren Jägern getrieben. Elen-Antilopen jagten in der Ferne davon … Hendrik beobachtete es durch sein Fernglas und verstand diese Panik nicht.
Die Savanne war unverändert, keine Rauchwolke schwebte in den
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