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In den Klauen des Löwen

In den Klauen des Löwen

Titel: In den Klauen des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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heißen Himmel. Auch von fernen Schüssen war nichts zu hören.
    Es wird anderes Wetter geben, dachte er, als er sein Abendessen vorbereitete. Es wäre etwas früh mit der Regenzeit, aber das ist kein Grund, daß die Herden flüchten. Hier muß etwas anderes die Ursache sein. Ein Heuschreckenschwarm?
    Hendrik Thorwaldsen schnaufte durch die Nase. Er haßte Heuschrecken. Einen Löwen oder wütenden Kaffernbüffel sieht man und kann darauf schießen. Selbst der listige Leopard ist ein guter Feind – er stellt sich zum Kampf. Aber ein Schwarm von Tausenden von Heuschrecken, eine schwarze, schwirrende, sirrende Wolke, die die Sonne verdunkelt, über das Land herfällt und knackend und mahlend alles kahlfrißt und sich dann wieder emporhebt und weiterfliegt, Kilometer um Kilometer, eine gestorbene Landschaft hinter sich lassend – gegen diese Rieseninsekten war man machtlos. Da flüchteten die Menschen in die Hütten, da jagte das Wild davon, da verkroch sich sogar der Herr der Savanne, der Löwe, und steckte den Schädel zwischen seine Pranken, um zu resignieren.
    Hendrik aß seine Pfanne voll Eier und Antilopenschinken, trank aus dem Wasserkanister zwei Becher des abgekochten Wassers und vermischte es mit Gin, nicht zu viel, gerade so, daß man den Geschmack auf der Zunge hatte, und begann dann, sein Zelt aufzubauen.
    Die Dunkelheit kam schnell. Nach einem goldenen Himmel fiel sie über das Land wie ein Tuch. Hendrik Thorwaldsen schichtete die abgehackten Äste und das Dorngestrüpp auf einen Haufen, um das nächtliche Feuer zu entzünden. Er hatte schon die Streichhölzer in der Hand, als er von weitem das Geräusch hörte, das nicht in die nächtliche Steppe paßte.
    Es klang wie ein Singen, wie ein rhythmisches Lied, und es kam näher, vom Norden her, wo der Albert-See lag, und schwebte über dem im Abendwind wogenden Elefantengras.
    Thorwaldsen steckte die Streichhölzer in die Tasche, griff nach seinem Gewehr und entsicherte es. Eingeborene, die bei Dunkelheit durch die Savanne ziehen, sind äußerst selten. Die Angst vor den Raubkatzen, vor allem aber die Furcht vor den Geistern, die nachts aus den Gräbern steigen und die Menschen verhexen, die durch die Nacht gehen, läßt keinen Bantu bei Dunkelheit mehr das Gebiet seines Dorfes oder seiner Hütte verlassen. Hier aber, das hörte Thorwaldsen nun deutlich, zogen Eingeborene durch die Savanne, singend und auf Handtrommeln schlagend. Dem Klang nach mußten es viele sein, eine ganze Dorfgemeinschaft vielleicht.
    Thorwaldsen warf das Gewehr über die Schulter, nachdem er es wieder gesichert hatte, und ging durch das hohe Gras dem Klang entgegen. Je näher er kam, um so dumpfer dröhnten die Trommeln und klangen die Stimmen heller. Jetzt sah er auch Feuerschein, der sich gegen den Nachthimmel wie eine Lichtschlange bewegte.
    Fackeln, dachte er. Das ist noch seltener. Wer zieht hier mit Fackeln durch den Busch? Und wozu das Gesinge, das Geschrei, die Trommeln, von ruhelosen Händen bearbeitet?
    Um das seltene Schauspiel genauer zu sehen, ohne entdeckt zu werden, kletterte er auf eine hohe Schirmakazie und verjagte einige Affenfamilien, die schreiend aus den Ästen hinunter ins Gras sprangen und wegrannten. Über einen armdicken, weit ausladenden Ast balancierend, erreichte er endlich eine Stelle, von der er einen freien Blick hinüber zu der rätselhaften Feuerschlange hatte.
    Durch die nächtliche Savanne marschierte nicht eine Dorfgemeinschaft, sondern ein ganzer Stamm.
    Wie auf einer Parade war die Kolonne eingeteilt: Zuerst Fackelträger und kräftige Neger, die das Gras nieder trampelten. Dann drei Reihen Trommelschläger, deren Hände die gespannten Häute unablässig bearbeiteten und die dabei mit hochgeworfenen Köpfen und aufgerissenen Mündern sangen. Ihnen folgte eine geballte Masse von Kriegern, bewaffnet mit Gewehren und Speeren, Beilen und Keulen aus Hartholz. In ihrer Mitte trugen sie eine Art Thron; dicke, wippende Bambusstangen, auf die man einen Stuhl gebunden hatte, einen europäischen Polsterstuhl mit geschnitzter, hoher Lehne. Ein großer Neger mit einem Kopfschmuck aus weißen Straußenfedern und einer losen Jacke aus Leopardenfell saß auf dem Stuhl und hatte den Kopf nach hinten gelehnt. Er schlief. Hinter dem Thron folgten maskierte Eingeborene mit großen Wedeln aus Löwenhaar; sie sprangen um den Thron herum und schienen die bösen Geister der Nacht zu verscheuchen. Den Schluß, dessen Ende Thorwaldsen nicht mehr abwartete, bildeten neue

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