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In den Klauen des Löwen

In den Klauen des Löwen

Titel: In den Klauen des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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der Bwambas zog sich bedrohlich zusammen. Was die Geister befahlen, mußte getan werden, das war eine uralte Lehre. Wer die Geister erzürnt, hat ein schreckliches Leben und ein noch furchtbareres Ende.
    Kwame Kirugu wuchs in diesen Augenblicken der Entscheidung über sich selbst hinaus. So sehr ihn die Vorstellung Budumbas beeindruckte, so sehr auch er in der Tradition verwurzelt war und Budumba als Zauberer anerkannte, jetzt, in der Minute der Gefahr für das ganze Volk, erinnerte er sich an die Jahre der Mission. Vor fast fünfzig Jahren war das. Der kleine Kwame kam nach Ntoroko am Albert-See, zusammen mit einem Onkel, um das Fischen zu lernen. Dort lernte er einen Mann kennen, der ein langes, weißes, bis zum Hals zugeknöpftes Gewand trug, die Sprache der Bwambas sprach, als sei er im Kral geboren, und der ihn, ohne lange zu fragen, mit ins Haus nahm, ihn in ein hölzernes rundes Gefäß mit warmem Wasser stellte, ihn mit etwas einrieb, das schäumte, süßlich roch und die Haut ganz glatt machte, dann mit einem Schlauch alles abspritzte und ihm ein herrliches, weißes, bis zu den Knöcheln reichendes Hemd schenkte. In den nächsten Tagen hatte Kwame viel zu hören. Er erfuhr von einem Mann, der Jesus hieß. Der weißgekleidete Mann, er nannte sich Pater Jules, zeigte Kwame Bilder dieses Jesus. Ein Weißer mit einem hellen Bart und gütigen Augen. Kwame hatte geduldig zugehört, denn nach allen Geschichten um diesen Mann bekam er ein gutes Essen – das allein war wichtig. Aber nach sechs Wochen hatte sich Kwame an Pater Jules gewöhnt. Nach neun Wochen machte ihm Pater Jules vor, daß man das, was man sprach, auch mit Zeichen ausdrücken konnte. So lernte Kwame schreiben, er lernte die Bibel kennen, sang Kirchenlieder in der Buschkirche, wurde Meßdiener von Pater Jules und blieb vier Jahre bei ihm. Dann lief er weg, weil er Sehnsucht nach seiner Mutter hatte. Ein Gesangbuch und einen Rosenkranz nahm er mit … das Gesangbuch ging verloren, den Rosenkranz trug er noch immer, aber nicht zum Gebet, sondern als Zierkette um den Hals.
    An all das erinnerte sich Kirugu jetzt in diesen Minuten. Er faßte mit beiden Händen an die Perlen der Rosenkranzkette und schlang die Finger um sie. Dann trat er vor, unter dem Dach aus Gras heraus, ging mit festen Schritten auf den zuckenden und spuckenden Budumba zu und stellte sich neben ihn.
    »Er lügt!« sagte Kirugu laut. »Die Geister sprechen nicht zu ihm. Er spielt uns etwas vor! Seht her! Wenn er recht hat, müssen die Geister mich jetzt töten! Ich lache über das, was Budumba sagt. Ich lache!«
    Kirugus Kopf flog hoch. Er lachte laut, aber in dieses Lachen mischte sich Angst.
    Gibt es die Geister? Strafen sie mich jetzt?
    Aber nichts geschah. Nur Budumba heulte auf wie ein verwundeter Schakal und starrte haßerfüllt auf Kirugu. Noch immer spielte er seinen zuckenden Anfall, aber er sah, daß die Wirkung zerstört war. Da erhob er sich, streckte die Arme hoch in den Himmel und nahm alle seine Kraft zusammen.
    »Tötet sie!« brüllte er. Seine Stimme schallte über den ganzen Bwamba-Stamm. Aber niemand rührte sich. Sie blickten alle auf Kirugu, der in seinem goldenen Gewand majestätisch unter sein Grasdach zurückschritt.
    Die Geister hatten ihn nicht bestraft. Welch ein Wunder!
    Corinna und Thorwaldsen standen eng beieinander vor dem tobenden Budumba und dem dicken Kirugu.
    »Verstehen Sie etwas?« fragte Corinna, als Budumbas letzter Verzweiflungsschrei verklungen war.
    »Kein Wort. Sie sprechen einen barbarischen Dialekt.«
    Das Gesicht Corinnas war entschlossen und hart. »Ich weiß nur, daß dieser Kerl da Budumba sein muß. Er hat Vater und Mutter töten lassen und die Farm angesteckt.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Malanga hat es mir gesagt.«
    »Dann stimmt es. Bessere Informationen können Sie nicht haben.« Es klang sarkastisch und gleichzeitig wehrlos. »Halten Sie den Kopf hoch, Corinna. Machen Sie jetzt nicht schlapp.«
    »Ich bin noch nie so ruhig gewesen wie jetzt. Gleich werde ich wissen, was mit Robert und Gisela geschehen ist.«
    »Man sollte den goldorangenen Opa einmal fragen.« Thorwaldsen sah zu Kirugu hinüber. »Er ist der König. Ob er die Anrede Majestät gern hört?«
    »Hendrik!« Corinna senkte den Kopf. »Müssen Sie selbst jetzt noch den Spaßmacher spielen?«
    »Was soll ich tun? Jedes Wort, glauben Sie mir, schmeckt bitter wie Galle. Aber es stirbt sich leichter mit einem Lachen als mit einem Schluchzen …«
    Kirugu winkte

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