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In den Klauen des Löwen

In den Klauen des Löwen

Titel: In den Klauen des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nicht mehr. Morgen ziehen wir weiter, und wir lassen sie zurück mit einem Gewehr, Munition, genügend Verpflegung, einem Zelt und einem Jeep. Vergiß sie!«
    »Wie kann man vergessen, was ins Herz gebrannt ist?« Malanga schüttelte den Kopf. »Ich liebe sie doch.«
    »Und sie wird dir sagen, daß du nur ein Neger für sie bist.«
    »Das wird sie nie sagen!« Malangas Kopf sank wieder gegen die Schulter Kirugus. »Mein Gott, kann es denn nicht möglich sein, daß sie mich auch liebt? Warum kann das nicht möglich sein?« Seine Stimme schwankte. »Bin ich denn ein Ungeheuer?«
    »Du bist schwarz im Gesicht.«
    »Ich werde das nie begreifen!« schrie Malanga.
    »Auch ein Ochse versteht nicht, warum er acht Stunden am Tag das Wasserrad drehen muß«, sagte Kirugu. »Aber er geht geduldig im Kreise, immer und immer wieder, Stunde um Stunde, Tag um Tag, Monat um Monat und dreht das Wasserrad. Warum sollen wir große Fragen stellen? Nehmen wir hin, was ist.«
    »Aber die Welt besteht aus Fragen!« Malanga riß sich los. »Ich habe gelernt, die Dinge und Wesen zu fragen und nach einem Sinn zu suchen. Nein, ich laufe nicht vor der Wahrheit weg … ich will sie hören. Aus ihrem Munde.«
    »Und dann?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht bin ich dann gestorben«, sagte Malanga kaum hörbar.
    Dann standen sie sich gegenüber, so, als hätten sie sich gerade gesehen, als habe sich Malanga soeben erst vorgestellt, als sei alles nur ein flüchtiges Gespräch, eine gesellschaftliche Höflichkeit auf der Terrasse eines Hauses, in das man zufällig gemeinsam eingeladen worden ist. Eine Schlucht war zwischen ihnen, über die zwar ihre Stimmen drangen, aber über die kein Steg mehr führt.
    »Sie wissen jetzt alles, Corinna«, sagte Malanga, nachdem er Corinna die Hand geküßt hatte. Ihre Finger waren kalt, als habe sie kein Blut in sich, sondern Eiswasser in den Adern.
    »Ja, ich weiß alles.« Corinna sah ihn lange an, bevor sie weitersprach. »Warum haben Sie mir in Kampala nicht schon die Wahrheit gesagt?«
    »Ich wollte Sie nicht erschrecken.«
    »Spätestens vor meinen toten Eltern hätten Sie sagen können, wer Sie sind.«
    »Da schämte ich mich für mein Volk. Erinnern Sie sich … ich sagte es sogar. Und ich versprach Ihnen, daß Sie Robert und Gisela wiedersehen. Ich habe mein Versprechen gehalten. Auch den Tod Ihrer Eltern will ich an dem sühnen, der ihn befohlen hat. Ich hatte bisher nicht die Zeit dazu. Aber seit drei Stunden ist Budumba kein freier Mann mehr.«
    »Sie werden ihn töten?«
    »Nein, viel schlimmer. Ich werde ihn als Zauberer lächerlich machen. Das ist furchtbarer als der Tod. Wo ein Bantu ihn trifft, wird er schlimmer als ein Hund behandelt werden. Man wird ihn mit Tritten wegjagen, man wird ihn aus der Nähe anständiger Menschen wegprügeln. Er wird mit Hyänen und Geiern leben. Aber warum reden wir davon, Miß Corinna?« Malangas Stimme hatte wieder den warmen, singenden Klang, der Corinna auf der Terrasse des Apolo-Hotels in Kampala schon wie mit einem Samtmantel umhüllt hatte. »Ihr Bruder hat Ihnen auch das … das andere erzählt?«
    »Ja.« Die Stimme Corinnas schwankte leicht. Sie griff in die Bluse, nestelte an ihrem Büstenhalter und holte den zusammengefalteten, abgerissenen Zettel heraus, den sie in der Kochkiste gefunden hatte. »Ich wußte es schon vorher. Es ist doch Ihre Schrift, Julius?«
    Malanga nahm den Zettel und zerknüllte ihn dann zwischen den Fingern.
    »Ja«, sagte er rauh. »Wo haben Sie ihn gefunden? Ich dachte, ich hätte den Zettel völlig vernichtet und verbrannt. Ich habe ihn nämlich zerrissen und angesteckt, als Sie schliefen. Es … es war ein Brief an Sie, Corinna.«
    »Warum haben Sie ihn mir nicht gegeben?«
    »Sie sollten ihn nie lesen.« Malanga wandte sich ab. Er konnte den Anblick Corinnas nicht länger ertragen. Ihr blondes Haar, ihr junger, weißer Körper, den die Bluse und die zerrissene, einbeinige Hose kaum verhüllten, ihre großen, blauen Augen, die Lippen, der Duft, der von ihrer Haut ausströmte und nun in dem Zettelstückchen eingefangen war … es war Malanga, als müsse sein Herz zerplatzen und sein Leben damit enden. Er drückte die Faust, in der er den Zettel umklammert hatte, an die Nase und atmete die Süße ein, die von Corinnas Haut in diesem Fetzen Papier geblieben war.
    Ich bin verrückt, dachte er dabei. Ich bin ein pathologischer Fall. In der Klinik lachten wir als Studenten, wenn wir in der Psychiatrie einen Kranken vorgestellt bekamen,

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