In den Klauen des Tigers
Spanferkel...“
„Nun mach dir nicht gleich in die Hose“,
sagte Karl. „Wahrscheinlich hat Tomasino den Tiger irgendwo eingesperrt. Weil
er nicht will, daß Napur in den Zoo kommt. Oder weil er ein Druckmittel braucht
— nach Art der Erpresser —, um sich selbst vor der Entziehungsanstalt zu
bewahren. Denn daß Trinker dort freiwillig hingehen, ist ja kaum zu erwarten,
wie man weiß.“
„Mit deinem scharfen Verstand ist
wirklich immer zu rechnen“, sagte Tarzan anerkennend. „Toller Einfall.“ Er
wandte sich an die Beamten. „Sie haben sicherlich gehört, was mein Freund Karl
Vierstein sehr richtig äußerte. Daß Carlo Tomasino sowas ausheckt, ist nicht
unwahrscheinlich. Ein überzeugendes Motiv, nicht wahr? Und noch etwas kommt
hinzu.“
Er trat in den Stall und näherte sich
dem Käfigwagen.
„Gestern“, sagte er, „stand das Gefährt
hier!“ Er wies auf die Stelle. „Etwa zwei Meter weiter links.“
„Stimmt das?“ Blüchl sah Zeisig an.
Der Zirkusdirektor rieb sich mit beiden
Händen übers Gesicht. Offensichtlich wirkte das starke Schlafmittel noch.
„Kann sein. Ja. Wenn Tarzan es sagt.
Also, im Moment erinnere ich mich nicht.“
„Bengel, spiel dich nur nicht auf!“
wurde Tarzan von Blüchl angeschnauzt. „Deine Mitarbeit ist hier nicht gefragt.
Verschwinde!“
„Wie Sie wünschen“, erwiderte Tarzan. „Ich
mache nur darauf aufmerksam, daß der Käfigwagen von Tomasino — vermutlich — weggefahren
wurde. Er brauchte nur mit seinem Mercedes rückwärts durch den sehr breiten
Eingang zu stoßen und den Raubtierwagen anzukoppeln. Er hat Napur irgendwohin
gebracht und den Käfigwagen zurück. Spricht alles für die Theorie meines
Freundes. Guten Tag!“
Er wandte sich ab, ging zu seinem Rad
und wartete, bis seine Freunde neben ihm waren.
„Dieser Molch!“ sagte er wütend. „Sieht
aus wie Marzipan in Himbeersoße und benimmt sich auch so. Unsereins will zur
Aufklärung beitragen und wird angepfiffen. Aber das verspreche ich dir, Karl:
Sollte sich deine Idee bewahrheiten, dann erzähle ich den Zeitungsreportern,
daß du sie hattest. Zuerst hattest! Blüchl wird nämlich, wenn es so ist, bestimmt
behaupten, er wäre darauf gekommen.“
Klößchen sah über die Schulter, als
lauere Napur zähnefletschend hinter ihm: „Und was wird jetzt?“
„Große Suche nach Tomasino. Was sonst!“
„Um von ihm zu hören, wo der Tiger ist?“
„Klar.“
„Hm. Wollen wir nicht schnellstens nach
Hause fahren? Fenster und Türen geschlossen halten und uns Amalies Kochkünsten
widmen?“
„Feigling!“
„Möchtest du diesem Vieh begegnen?“
„Wir werden ihm nicht begegnen.
Tomasino hat es irgendwo eingesperrt.“
Karl sagte: „Das wird aber viel Aufregung
geben. Denn daß Blüchl den Dompteur gleich findet, glaube ich nicht.“ Tarzan
lächelte. „Den Dompteur finden wir.“
„O Gott!“ ächzte Klößchen. „Und wenn er
den bengalischen Kater bei sich hat...Nun hör aber auf, Tarzan! Außerdem: Wie
willst du ihn denn finden?“
Tarzans Lächeln verstärkte sich. „Ich
habe einen Hinweis. Einen klitzekleinen Hinweis. Vielleicht bringt er nichts,
vielleicht trifft er ins Schwarze. Wie auch immer — dieser grausliche Blüchl
erfährt davon nichts.“
„Wovon?“ fragte Karl.
„Erinnert ihr euch? Gestern, nach der
Keilerei in der Scheune, habe ich das Streichholzbriefchen aufgehoben. Dachte,
es gehöre Zeisig. Aber das war nicht so, wie wir wissen. Also kann es nur
Tomasino gehören. Und ist ihm aus der Tasche gefallen, als ich ihm eins auf die
Verdauungszentrale gab.“
Karl pfiff durch die Zähne. „Was stand
denn drauf?“
„Die Anschrift einer Kneipe. Oder Bar.
Was weiß ich. Die Grotte — Spitzeder-Straße... Die Nummer weiß
ich nicht mehr. Aber das finden wir schon.“
„Sieh doch nach!“ sagte Klößchen.
„Hab’s ja nicht mehr, sondern
weggeworfen. Von dem Kerl wollte ich nichts in der Tasche haben.“
„Und du meinst, dort erfahren wir, wo
er steckt?“ fragte Karl.
„Hoffentlich. Aber fassen wir doch mal
die Tatsachen zusammen. Der Zirkus — vielmehr das, was von ihm übrig blieb —
ist noch nicht lange hier. Ein Typ wie Carlo Tomasino findet schwer Anschluß.
Bei den Zeisigs war er unten durch. Also sucht er sich — zumal er dauernd
schnäpselt — woanders einen Kreis. Und sei’s auch nur den Wirt einer billigen
Spelunke. Und wenn’s ihm dort gefällt, geht er eben immer wieder hin. Das
heißt, allzu billig kann die Grotte nicht
Weitere Kostenlose Bücher