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In den Klauen des Tigers

In den Klauen des Tigers

Titel: In den Klauen des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Frauen. Es gibt keine Telefonleitung
dorthin. Im Wald befindet sich wahrscheinlich schon eine große Anzahl von
Pfingstausflüglern. Von den verstreut stehenden Wochenendhäusern ist mit
Sicherheit eins belegt. Zehn oder zwölf Lehrer der Internatsschule sind dort
während der Feiertage. Ebenfalls bewohnt sind sämtliche Häuser der bekannten
Waldsiedlung Lerchenau. Acht Häuser, meines Wissens, mit ebenso vielen
Familien. Kinderzahl ist unbekannt. Ferner: Am Westrand des Waldes befindet
sich eine Schafherde mit etwa 500 Tieren — unter der Obhut eines Schäfers.“
    Er hielt inne, starrte für einen Moment
auf die Schreibtischplatte und zwang sich zur Ruhe.
    „Ich habe folgende Maßnahmen mit dem
Chef abgesprochen“, fuhr er fort. „Alle Zufahrtstraßen zum Wald — alle Wege in
den Wald werden sofort abgesperrt. Mit allen verfügbaren Mitteln. Die Leitung
übernimmst du, Paul“, wandte er sich an einen energischen Typ. „Dein Standort
ist die Einsatzzentrale.“
    Paul nickte und war schon an der Tür.
    „Der Chef“, sagte Glockner, „hat
bereits einen Mannschaftshubschrauber vom Bundesgrenzschutz losgeschickt. Das
einzige Gefährt entsprechender Größe, das auf die Schnelle verfügbar war. Der
Hubschrauber landet bei den Singenden Felsen und nimmt die Mädchen und die
beiden Betreuerinnen auf. Diese Gruppe ist am stärksten gefährdet. Daß wir sie
so schnell wie möglich aus der Gefahrenzone rausbringen, ist jetzt das
Wichtigste.“
    Gott sei Dank! Tarzan seufzte
vernehmlich. Das war ja die Lösung. So ein Hubschrauber machte das im
Handumdrehen. Ein Lob der Technik und den Errungenschaften des 20.
Jahrhunderts!
    „Sechs Streifenwagen“, erklärte Glockner,
„mit bewaffneten Scharfschützen befahren sofort sämtliche Waldwege nach einem
bestimmten Plan. Unablässige Lautsprecher-Durchsagen werden Wanderer und Camper
warnen. Willibald, du übernimmst die Strategie ( Feldherrnkunst ). Du,
Robert, verständigst die Leute in Lerchenau telefonisch. Die Anschlüsse werden
soeben festgestellt. Die Leute sollen in ihren Häusern bleiben, Fenster, Türen
und möglichst auch Jalousien schließen. Zu ihrem Schutz schicken wir zwei
Streifenwagen mit Bewaffneten hin. Ich glaube, das wär’s im Moment.“
    Ein Gemurmel erhob sich. Wer nicht für
den Katastrophenplan TIGER eingeteilt war, blieb noch. Jeder versuchte
tröstende Worte für Glockner zu finden. Aber sein Gesicht war wie versteinert.
    Himmel! dachte Tarzan. Hoffentlich
meldet sich der Hubschrauberpilot gleich über Funk, sobald die Mädchen an Bord
sind. Erst dann können wir aufatmen.
    Mit dem Hubschrauber-Einsatz hatte er,
Tarzan, nicht gerechnet, sondern damit, daß Glockner und Kollegen mit
Fahrzeugen zu dem Zeltlager rasen würden. Dabei sein zu dürfen, wenn Gaby
gerettet wurde — darauf hatte er gehofft.
    Es klopfte. Ein bebrillter Mann trat
ein. Glockner redete ihn mit,Doktor’ an und wies auf einen Stuhl.
    Wie Tarzan später erfuhr, handelte es
sich um den Polizei-Psychologen ( Seelenforscher ). Zu seinen Aufgaben
gehörte es, sich um Straftäter zu kümmern, deren geistige und seelische
Gesundheit fraglich war.
    „Tomasino“, sagte er, „sperrt sich
nicht mehr, sondern spricht ganz offen. Sein Motiv ist Haß. Er haßt alles und
jeden, besonders die Mitmenschen. Seine Persönlichkeit ist weitgehend zerstört.
Immerhin hat er ausführlich über Napur geredet. Ich bin kein Zoologe ( Tierforscher ),
habe aber doch folgendes begriffen: Napur ist fünf Jahre alt und wurde in
Gefangenschaft geboren. Das heißt, er kennt die Freiheit nicht, die er jetzt
hat, und wird eine Weile brauchen, um sich zurechtzufinden. Das heißt, wir
können damit rechnen, daß er anfangs scheu ist, sogar verstört. Aber nach und
nach werden seine natürlichen Instinkte durchbrechen. Spätestens wenn der
Hunger sich meldet, erwacht auch der Jäger in ihm. Damit ist — im günstigsten
Fall — nach zweimal 24 Stunden ab letzter Fütterung zu rechnen. Dann wird er
Wild töten, vielleicht auch — wenn sie ihm unabsichtlich zu nahe kommen und er
sich bedroht fühlt — Menschen.“
    „Aber es gibt keine Garantie dafür, daß
seine Zurückhaltung so lange anhält?“ fragte Glockner.
    „Das nicht. Es kann sein, daß er
jederzeit tötet, wenn er erschreckt oder gereizt wird. Nur die Jagd nach der
Beute findet — wahrscheinlich — noch nicht statt.“
    „Kein Trost“, sagte einer der Männer.
    Der Psychologe hob die Achseln, als
müsse er sich entschuldigen.
    Tarzan

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