In Den Schatten Lauert Der Tod -1-
Kannst du es mir verübeln? Ich bin gegen acht zum Frühstücken wieder reingegangen.«
Sean starrte mit düsterer Miene aus dem Fenster. »Kann sie nicht einfach behaupten, dass du bei ihr warst? Was macht das schon, da du sowieso unschuldig bist?«
»Ich bin sicher, das würde sie, wenn ich sie darum bäte«, entgegnete Connor sanft. »Aber es wäre nicht richtig. Ich will keine Beziehung mit ihr aufbauen, die auf Lügen basiert.«
Sean knallte seine Tasse auf den Küchentresen. Brühheißer Kaffee schwappte über seine Hand. Er hechtete zur Spüle und ließ kaltes Wasser darüberlaufen.
»Keine Beziehung, die auf Lügen basiert, meine Fresse! Du gehirnamputierter, selbstgerechter Idiot!«
Connor schrak zusammen und hielt sich die Ohren zu. »Bitte zerbrich nicht noch was«, flehte er. »Mein Kopf tut weh. Ich ertrage den Lärm nicht.«
»Du musst dich von dieser Sache lösen, verdammt noch mal! Und du musst dir dieses Mädchen schnappen! Willst du wissen, warum?«
Connor lehnte sich resigniert in seinem Stuhl zurück. Offensichtlich war das heutige Drama noch nicht überstanden. »Okay. Verrate mir warum, Sean.«
»Weil du es verdienst. Du bist ein Ausbund an Rechtschaffenheit. Du bist viel zu … hochherzig oder was auch immer. Du und dein bescheuerter Ehrenkodex. Dein übersteigertes Pflichtbewusstsein. Deshalb ziehen Davy und ich dich ständig mit deinem Heldenkomplex auf. Es ist deine Schwachstelle, und die kannst du nicht verstecken.«
Connor seufzte. »Das ist so eine hirnrissige …«
»Du bist ein guter Mensch, Con«, ignorierte Sean seinen Protest. »Besser als Davy und ich. Besser als jeder, den ich kenne, vielleicht mit Ausnahme von Jesse, und schau, was mit ihm passiert ist. Du kannst dich nicht verbiegen, du kannst nicht alles stehen und liegen lassen und weglaufen. Du kannst keine Kompromisse eingehen. Es ist, als würdest du gar nicht wissen, wie das geht.«
Connor starrte in seinen Kaffee und versuchte, nicht an Jesse zu denken. Er fühlte sich so schon mies genug.
»Dad war so«, stellte er fest. »Er konnte sich nicht verbiegen. Also ist er zerbrochen.«
Es folgte Schweigen. Der Geist der bitteren Erinnerung an Eamon lastete schwer auf ihnen. Ihr Vater war ein guter, ehrenwerter Mann gewesen, aber die schweren Schläge, die ihm das Schicksal beigebracht hatte, hatten ihn zutiefst desillusioniert. Trauer und Zorn hatten an seinem Verstand genagt, bis nichts mehr von ihm übrig gewesen war.
»Du bist nicht wie Dad, Con.« Seans Stimme vibrierte vor unterdrückter Emotionalität. »Du bist stärker, als Dad es war. Und freundlicher.«
Connor trank einen Schluck Kaffee und suchte dabei krampfhaft nach einem anderen Thema. Der Kaffee an sich war immer ein dankbares Opfer. »Herrgott noch mal, Sean, wieso machst du dieses Zeug bloß immer so stark? Es verätzt mir die Kehle.«
»Das ist der Scotch, Schwachkopf, nicht mein Kaffee. Du solltest was in den Magen kriegen. Geh duschen, ich mach dir in der Zwischenzeit was zu essen.«
»Verhätschle mich nicht«, knurrte Connor. »Ich kann auf mich selbst …«
»Stell dich unter die Dusche, dann zieh eins von meinen Hemden an. Finger weg von deinen ausgeleierten, verwaschenen Klamotten! Du willst, dass man dich für ausgeglichen und geistig gesund hält? Dann solltest du dich für den Anfang erst mal rasieren und dir die Haare kämmen.«
Als Connor wieder in die Küche kam, war er glatt rasiert und trug ein frisches Jeanshemd, das er in Seans Kleiderschrank aufgestöbert hatte. Sein Bruder musterte ihn mit kritischem Blick, dann nickte er. »Schon besser.«
Connor grunzte und setzte sich an den Tisch. Sie hielten sich an eine stillschweigende Vereinbarung, keine wunden Punkte mehr anzurühren, und da es nichts anderes zu erörtern gab als Wahnsinn, Mord, Liebe und dergleichen, konzentrierten sie sich schweigend auf Seans gegrillte Käse-Schinken-Sandwiches.
Sobald sie fertig waren, schlüpfte Sean in seine Lederjacke. »Ich habe gekocht, also übernimmst du den Abwasch«, verkündete er. »Ich mache mich auf die Suche nach Davy. Es wird Zeit, dass wir uns um diese Mordanklage kümmern.«
»Halt dich da raus«, befahl Connor, der Sean zu seinem Wagen folgte.
Sein Bruder kramte die Schlüssel heraus. »Vergiss es. Du solltest Erin ausfindig machen, jetzt, da du dich rasiert hast. Sprich mit ihr. Bezaubere sie mit dem guten, alten McCloud-Charme.«
»Von wegen Charme. Ich benehme mich jedes Mal wie ein Vollidiot, wenn ich in ihre Nähe
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