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In den Spiegeln (Teil 1, 2 & 3) - Die dunkle Stadt (German Edition)

In den Spiegeln (Teil 1, 2 & 3) - Die dunkle Stadt (German Edition)

Titel: In den Spiegeln (Teil 1, 2 & 3) - Die dunkle Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ales Pickar
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und es im Eingang unserer Bankfiliale aufhängte. Und ist das teuer ersparte und für die Ausbildung der Tochter bestimmte Geld verschwunden, fordern wir mit derselben Bravheit die Benennung des Schuldigen. Und so hassen wir den Lügner mit der Krawatte, der selbst ebenso nur ein Rädchen in der Maschine der Bestimmung ist. Wir hassen ihn, weil wir nicht den Mut haben, uns selbst zu erkennen. Wir hassen ihn, weil wir nicht den Mut haben zu sehen, dass er nur ein Spiegelbild dessen ist, was wir selbst sind. Nur ein weiterer Homo oeconomicus cretinus auf einem Planeten, der von genau dieser Spezies dominiert wird.
    Wir sind Politiker, wir sind Steuerberater, wir sind Banker, wir sind Zuhälter und Journalisten, wir sind Supermodels und PR-Berater, wir sind Chefredakteure und Consultants, wir sind Huren und Kunsthändler, wir sind Junkies und Rechtsanwälte, TV-Produzenten und Lobbyisten, wir sind Werbefachleute und Raser auf Autobahnen, Bonusmeilen-Sammler und Herzerl-Kleber, wir sind Fans und Stalker, Schundblattleser, Pornosüchtige und Säufer. Wir schlagen unsere Kinder und bezahlen die Abtreibungen unserer Affären. Wir geben Vermögen für überteuerte Kosmetik aus und voten den nächsten Superstar mit unserem Handy. Wir brüsten uns mit unserer psychotischen Religiosität und beneiden wütend jeden, dessen Finger mehr nach Geld stinken, als die unseren.
    Zu keinem bestimmten Zeitpunkt sind wir Menschen. Wir sind der Abfall der Galaxie. Wir sind verabscheuungswürdige Mollusken, die einen Großteil ihres Denkens damit verbringen, die eigene Unantastbarkeit zu begründen. Wir definieren unser Leben als heilig und nehmen uns in unserer Blasiertheit wichtig. All das, um zweckdienlich den letzten Abglanz der Wahrheit in unserer Welt zu verschleiern. Dass wir vergänglich sind und alles Nennenswerte, das in uns jemals Platz gefunden hatte, in einem Casino verspielt haben. Dass der größte Beitrag, den wir in den letzten fünftausend Jahren zu unserer globalen Zivilisation geleistet haben, in der alles durchdringenden und verschlingenden Erfindung des Geldes bestand.
    Wir haben eine Menge Kirchen und Banken gebaut, Tempel und Parlamente, um diese Tatsachen zu kaschieren. Wir entnehmen den Überlebensinstinkt des Tiers in uns und wickeln ihn in Pathos und unreflektierte Ansprüche ein.
    Dann legen wir den Kreditplan vor, der diese Empfindung finanzierbar macht.
    Wenn wir nicht in die Spiegel blicken und uns sehen, als das, was wir sind — überhebliche, nackte Affen mit Kreditkarten — werden wir nicht frei sein.
    Und wir können uns in unzähligen Talkshows beweihräuchern und schmierige, schleimige Dokumentarfilme über Glück und Erfolg ansehen — es wird nichts daran ändern, dass wir Monster sind, überdimensionierte Föten und Embryos, die einsam und behäbig auf ihren kleinen strategischen Hügeln stehen und Armeen aus belanglosen YouTube-Filmchen befehligen.
    Der freie Wille besteht in der Anwendung jener Möglichkeit, die in einem Prozess nicht vorgesehen ist. Doch solange wir diese Möglichkeit nicht beanspruchen, lassen wir das Potential ungenutzt brachliegen. Die Einflüsterer in unserem Nacken entscheiden für uns. Zugunsten von organisierten Religionen, von schwachsinnigen Reality-Shows und dem naiven Zujubeln einer undurchsichtigen Partei, die selten mehr als vier oder fünf Jahre braucht, um alle Unarten ihrer Opposition anzunehmen.
    All das hat damit zu tun, dass der Mensch die Fesseln schätzt. Es ist das Angelische in ihm. Es ist die Freude daran, dass jemand anderes, jemand, der höher auf der Leiter der gemeinsamen Existenz steht, die Regeln vorgibt. Und wir vergöttern Regeln. Wir lieben die Programmgestaltung. Wir genießen es, an unseren Ketten zu zerren und die Schuld auf den Chefetagen zu wissen. Und wir besitzen die kollektive Unverschämtheit, Luzifer für unseren Schwachsinn zu verdammen.
    Und in der dunkelsten Ecke dieser Straße finden wir eine Gruppe mentaler Bankrottfälle, die dort bar eigener Persönlichkeit herumstehen und sich zuversichtlich auf die Schulter klopfen, mit den beruhigenden Worten: »Der Führer wird´s schon richten.«
    Die Freiheit befindet sich nicht am Ende eines Wochenendseminars. Die Freiheit lebt nicht am Ende des Gaspedals. Die Freiheit ist keine tropische Insel. Das Glück kein weißer Strand.
    Denn alle Strände sind Lügen.
    Die Freiheit liegt in der kompletten Abschaffung der Vergangenheit. Und das Glück ist ein Privileg der Ahnungslosen und

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