In den Spiegeln - Teil 2 - Evelyn
wir Menschen. Wir sind der Abfall der Galaxie. Wir sind verabscheuungswürdige Mollusken, die einen Großteil ihres Denkens damit verbringen, die eigene Unantastbarkeit zu begründen. Wir definieren unser Leben als heilig und nehmen uns in unserer Blasiertheit wichtig. All das, um zweckdienlich den letzten Abglanz der Wahrheit in unserer Welt zu verschleiern. Dass wir vergänglich sind und alles Nennenswerte, das in uns jemals Platz gefunden hatte, in einem Casino verspielt haben. Dass der größte Beitrag, den wir in den letzten fünftausend Jahren zu unserer globalen Zivilisation geleistet haben, in der alles durchdringenden und verschlingenden Erfindung des Geldes bestand.
Wir haben eine Menge Kirchen und Banken gebaut, Tempel und Parlamente, um diese Tatsachen zu kaschieren. Wir entnehmen den Überlebensinstinkt des Tiers in uns und wickeln ihn in Pathos und unreflektierte Ansprüche ein.
Dann legen wir den Kreditplan vor, der diese Empfindung finanzierbar macht.
Wenn wir nicht in die Spiegel blicken und uns sehen, als das, was wir sind — überhebliche, nackte Affen mit Kreditkarten — werden wir nicht frei sein.
Und wir können uns in unzähligen Talkshows beweihräuchern und schmierige, schleimige Dokumentarfilme über Glück und Erfolg ansehen — es wird nichts daran ändern, dass wir Monster sind, überdimensionierte Föten und Embryos, die einsam und behäbig auf ihren kleinen strategischen Hügeln stehen und Armeen aus belanglosen YouTube-Filmchen befehligen.
Der freie Wille besteht in der Anwendung jener Möglichkeit, die in einem Prozess nicht vorgesehen ist. Doch solange wir diese Möglichkeit nicht beanspruchen, lassen wir das Potential ungenutzt brachliegen. Die Einflüsterer in unserem Nacken entscheiden für uns. Zugunsten von organisierten Religionen, von schwachsinnigen Reality-Shows und dem naiven Zujubeln einer undurchsichtigen Partei, die selten mehr als vier oder fünf Jahre braucht, um alle Unarten ihrer Opposition anzunehmen.
All das hat damit zu tun, dass der Mensch die Fesseln schätzt. Es ist das Angelische in ihm. Es ist die Freude daran, dass jemand anderes, jemand, der höher auf der Leiter der gemeinsamen Existenz steht, die Regeln vorgibt. Und wir vergöttern Regeln. Wir lieben die Programmgestaltung. Wir genießen es, an unseren Ketten zu zerren und die Schuld auf den Chefetagen zu wissen. Und wir besitzen die kollektive Unverschämtheit, Luzifer für unseren Schwachsinn zu verdammen.
Und in der dunkelsten Ecke dieser Straße finden wir eine Gruppe mentaler Bankrottfälle, die dort bar eigener Persönlichkeit herumstehen und sich zuversichtlich auf die Schulter klopfen, mit den beruhigenden Worten: »Der Führer wird´s schon richten.«
Die Freiheit befindet sich nicht am Ende eines Wochenendseminars. Die Freiheit lebt nicht am Ende des Gaspedals. Die Freiheit ist keine tropische Insel. Das Glück kein weißer Strand.
Denn alle Strände sind Lügen.
Die Freiheit liegt in der kompletten Abschaffung der Vergangenheit. Und das Glück ist ein Privileg der Ahnungslosen und Geistesschwachen.
Hasse ich den Menschen? Habe ich keine Hoffnung für die Menschheit?
Zugegeben — in jenem Augenblick, in dem ein fünfhundert Kilometer breiter Asteroid brennend in die Atmosphäre der Erde einbricht, werde ich einzig auf dem Hügel stehen, der einsame Narr, tanzend und frohlockend, über das winzige Stück Gerechtigkeit in einer vergessenen Ecke des Kosmos.
Doch der Mensch ist da.
Ich kann ihn sehen, sogar durch die Schleier endloser Missetaten und durch all die Masken seiner Gier und Idiotie.
Dieses seltsame Geschöpf auf einer Reise ohne Anfang, doch mit einem Ziel.
Dieses einzigartige Wesen, fähig der einen Sache, die kein Geld kaufen und uns kein Lügner und Produktschacherer liefern kann: der Liebe.
Sollte es sie wirklich geben, dann ist sie das einzige KO-Kriterium auf dem Aufnahmeantrag in die Hölle, in der wir alle für Ewigkeiten brennen sollten.
2.05 Riten
Der Abend in Danglars verläuft wie ein seltsamer zugespitzter Traum. Die Party trägt den psychedelisch anmutenden Namen »Xetal Re-Drum« und ein Außerirdischer könnte sie leicht mit einem meiner Albträume verwechseln. Doch die Anwesenden empfinden sie keineswegs als Hölle. Für sie ist die Party ein dunkles Paradies. Alles riecht hier nach Leder, Latex, Haarspray und jedem nur erdenklichen Parfum. Der Geruch von Patschuli liefert sich seine Schlachten mit Bergamotte, Jasmin und Moschus. Kenzo gegen
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