In der Box: Wie CrossFit® das Training revolutionierte und mir einen völlig neuen Körper verlieh (German Edition)

Hantelstange ohne Gewichte verwenden solle – die Mädchenstange. Ich folgte ihrem Rat, doch mein rechtes Knie streikte. Für Beal sah ich wohl ziemlich schief aus, sodass sie, wieder in behutsamem Tonfall und so aufmunternd wie nur irgend möglich, vorschlug, ich solle statt einer Hantelstange ein PVC-Rohr benutzen. Also fingen wir damit an.
    Sowohl Beal als auch Chang erklärten mir ausführlich, wie man eine Überkopfkniebeuge korrekt ausführt: die Haltung der Langhantel über dem Kopf; aktive Schultern mit nach vorne zeigenden Achselhöhlen; angespannte Rumpf- und Gesäßmuskeln; Knie, die sich direkt über den Füßen befinden, nicht über sie hinausragen, und nach außen bewegt werden, wobei das Gewicht auf den Fersen lastet. Ich schaffte es nicht, die Hüften bis unter die Knie abzusenken, wie es für eine perfekte Ausführung erforderlich ist, verbesserte meine Technik aber sogleich und bekam dadurch das Gefühl, bereits ein wenig vorangekommen zu sein.
    Bei jedem neuen Klienten vergleichen die drei Trainer des CrossFit Elysium ihre Aufzeichnungen miteinander, bewerten, in was für einer körperlichen Verfassung die Person sich befindet, und stellen Vermutungen über ihren Lebensstil an. Chang sagt: »Wenn ein neuer Klient 35 kg Übergewicht mit sich herumträgt, ist es sehr wahrscheinlich, dass es mit seiner kardiovaskulären Ausdauer nicht zum Besten bestellt ist. Wenn er allerdings ein Marathonläufer ist, ist es wahrscheinlich, dass er zwar über eine gute aerobe Grundlagenausdauer verfügt, aber nicht in der Lage ist, eine Langhantel in die Höhe zu stemmen [was bei mir der Fall war]. Andere Hinweise sind subtiler, aber durchaus vorhanden, wenn man als Trainer die Augen offenhält.« Als ich in der Aufwärmphase Kniebeugen machte, bemerkte er, dass ich mich mit dem Oberkörper nach vorne lehnte. »Das sagte mir, dass deine Beweglichkeit, vor allem in der hinteren Muskelkette, vermutlich stark eingeschränkt war. Spätestens bei der Kraftübung dieses Tages, der Überkopfkniebeuge, wurde uns klar, dass wir auf dich aufpassen und gegebenenfalls Hilfestellung geben mussten. Wir lassen unsere neuen Mitglieder am Anfang natürlich nur mit geringer Belastung trainieren, damit wir Defizite im Bewegungsablauf erkennen, bevor das Hantelgewicht fordernd oder gar gefährlich wird. Wenn jemandem ein PVC-Rohr oder eine unbestückte Hantelstange schon Probleme bereitet, wissen wir, dass er für 40 oder 60 kg noch nicht bereit ist.«
    Am Montag hatte ich richtig üblen Muskelkater. Meine Oberschenkelrückseiten fühlten sich an, als stünden sie unter Strom, und meine Schultern, Bauchmuskeln, Quadrizepse und Handgelenke taten ebenfalls weh. Estradas Rat hierzu war: einfach weiter zum Kurs kommen und den Muskelkater wegtrainieren.
    Am Montag, dem 4. Juli, besuchte ich zum zweiten Mal einen Kurs und sah Folgendes auf dem Whiteboard:
    Warm-up
    CF x 1
    Kraft
    Frei
    Met-con
    Murph auf Zeit
    1,6 km laufen
    100 Klimmzüge
    200 Liegestütze
    300 Kniebeugen
    1,6 km laufen
    Das Workout beginnt und endet mit dem Lauf, die Wiederholungen können bei Bedarf in Blöcke unterteilt werden. Wer will, kann dabei eine 10 kg schwere Blei- oder Splitterweste tragen.
    »Murph« war ein »Hero WOD«, also eines der besonders langen und anspruchsvollen CrossFit-Workouts, die Namen verstorbener Helden trugen, sprich Soldaten, Polizisten und Feuerwehrmänner, die CrossFitter gewesen waren. Auf der Elysium-Webseite stand unter dem Workout folgende Erklärung. »In Gedenken an Leutnant zur See Michael Murphy, 29, aus Patchogue, N.Y., der am 28. Juni 2005 in Afghanistan ums Leben gekommen ist. Dieses Workout gehörte zu Mikes Favoriten, er nannte es ›Body Armour‹ (Splitterweste). Ab sofort wird dieses Workout ›Murph‹ genannt, zu Ehren dieses ehrgeizigen Kriegers und stolzen Amerikaners, der nichts anderes wollte, als seinem Land und den wunderbaren Menschen zu dienen, die es zu dem machen, was es ist.«
    Ich las mir das gesamte WOD mehrmals hintereinander durch und dachte ernsthaft darüber nach, meine Haltung zum Einsteigerseminar zu überdenken. Plötzlich schien es viele gute Gründe zu geben, warum ich Murph auslassen, den Grundkurs besuchen und nach dem Training den Biergarten aufsuchen sollte, in dem einige meiner Kollegen den 4. Juli feiern wollten. Es fühlte sich an, als würde mich eine magische Kraft geradewegs in den Biergarten ziehen. Tatsache war, dass ich maximal drei Klimmzüge hinbekam. Das Workout verlangte allerdings